Brillenträger und Brillenträgerinnen sind selten auf der Bühne des Eurovision Song Contests zu sehen. Heute sind gleich zwei davon im zweiten Semifinale. Hier Moran Mazor aus Israel.

Foto: Sander Hesterman/EBU

Österreich hätte im ersten Semifinale eigentlich noch einen Vorteil gehabt, denn da mussten wir uns nur von sechs Beiträgen verabschieden. Heute sind es sieben. In Malmö sind sich alle einig: Es gibt dieses Jahr enorm viele Beiträge, bei denen es schwer einzuschätzen ist, wie sie bei den Zuschauern und den Jurys ankommen werden. Es wird also spannend. Voten kann man in Österreich allerdings nicht.

Das erwartet euch:

1. Lettland: PeR - "Here We Go"

So eine Art Boyband mit ein bisschen Pop, ein bisschen Rap und scheinbar lässigen Moves samt Fake-Stagedive. Der Beitrag ist aber als Opener durchaus geeignet, denn er hat Power. In diesem zweiten Semifinale sind aber nur drei Ex-Sowjetrepubliken vertreten. Am Dienstag waren es noch sechs, die alle weiterkamen. Da wird es heute mit den Solidaritätspunkten etwas schwieriger. Und mit der Startnummer eins durfte Österreich ja auch schon Bekanntschaft machen.

Tipp fürs Finale: Eher nicht

2. San Marino: Valentina Monetta - "Crisalide (Vola)"

Ralph Siegel schickt seine 21. Komposition ins Rennen. Bereits sein Vater komponierte die deutschen Beiträge 1957 und 1958. Österreichs Fanclub OGAE Austria hat Valentina an die erste Stelle der diesjährigen Beiträge gesetzt. Aber vielleicht ist der san-marinesische Beitrag mehr so ein Fan-Ding. "Crisalide" besteht eigentlich aus zwei Songs, anfangs Ballade, am Ende ein Dancesong. Die Sängerin machte aber im Vergleich zu ihrem eher albernen englisch gesungenen Facebook-Song vom Vorjahr eine erstaunliche Wandlung durch. Man glaubt gar nicht, dass es dieselbe Sängerin ist.

Tipp fürs Finale: Vermutlich weiter

3. Mazedonien: Vlatko & Esma - "Pred da se razdeni"

Die Roma Esma Redžepova ist ein Superstar am Balkan und flankiert den jungen Sänger Vlatko. Und was für einen Auftritt sie hat! Und was für ein Kostüm! Umwerfend! Bei den Proben traf sie die Töne manchmal punktgenau, manchmal lag sie aber völlig daneben. Von allen Beiträgen aus dem ehemaligen Jugoslawien, die im ersten Semifinale übrigens allesamt scheiterten, eindeutig der beste. Daher sei diesem Generationenprojekt ein Finalplatz von Herzen gegönnt.

Tipp fürs Finale: Zitterpartie

4. Aserbaidschan: Farid Mammadov - "Hold Me"

Choreografisch gesehen ist das hier der mit Abstand kreativste Auftritt, von dem der ORF wirklich lernen kann. So macht man nämlich eine Show! Und dann schenkt uns Aserbaidschan noch einen Sänger, den Mann und Frau sich ganz gerne ansehen. Das Lied ist zwar eine klassische Ballade, aber äußerst modern arrangiert. Entzückend!

Tipp fürs Finale: Locker weiter

5. Finnland: Krista Siegfrids - "Marry Me"

Finnland hat sich schon jetzt den Sieg verdient - und zwar für die dämlichsten Lyrics 2013. Denn sie will heiraten, singt sie. Und singt dann Sachen wie: Ich bin dein Sklave und du mein Meister. Na ja. Das Partylied polarisiert jedenfalls. Das hat sie offenbar selbst auch begriffen und küsste dafür am Ende eine Frau. Man liebt oder man hasst es. Ich mag es überhaupt nicht.

Tipp fürs Finale: Wackelkandidatin

6. Malta: Gianluca - "Tomorrow"

Nach Aserbaidschan gleich der nächste süße junge Mann, der mit der Kamera flirtet, dabei ganz lieb schüchtern schaut und von einem jungen IT-Angestellten singt und allem, was der halt so erlebt. Ein richtig angenehm hinuntergehendes Liedchen. Unaufgeregt, süß und sympathisch. Ganz Malmö hat Gianluca ins Herz geschlossen. Das wird Gianluca im TV auch gelingen, glaube ich.

Tipp fürs Finale: Kommt weiter

7. Bulgarien: Elitsa Todorova & Stoyan Yankoulov - "Samo shampioni"

2007 waren die Perkussionsartisten, die Trommeln mit Trance kombinieren, bereits dabei. Die beiden sind ein äußerst eingespieltes Team und live hervorragend, wie man sich bei Konzerten in Wien schon überzeugen konnte. "Water" war 2007 (fünfter Platz) aber ein wesentlich besserer Song als das, was sie nun, sechs Jahre später, performen. Die Bühnenpräsenz von Elitsa ist großartig. Aber der Song ist leider nicht der beste, und bei vielen Auftritten in Malmö konnte man wesentlich bessere Lieder hören.

Tipp fürs Finale: Ich fürchte, das geht sich nicht aus

8. Island: Eyþór Ingi Gunnlaugsson - "Ég á líf"

Das Land hat so viele Einwohner wie Malmö oder Graz und Umgebung und hat dabei unfassbar viele internationale Pop-Acts hervorgebracht. Heute kommt ein echter Wikinger auf die Bühne und singt seine Powerballade in Landessprache. Eine der besten Balladen dieses Contests überhaupt und wohl die beste Männerstimme dieses Jahres. Ich bekam bei den Proben jedenfalls immer Gänsehaut - und ich bekomme nicht leicht Gänsehaut. Geheimfavorit!

Tipp fürs Finale: Weiter

9. Griechenland: Koza Mostra feat. Agathonas Iakovidis - "Alcohol Is Free"

Gleich vorab: Dafür werde ich am Samstag anrufen! Ska! Musiker und keine reinen Interpreten! Und gleich noch ein Generationenprojekt samt den dazupassenden Musikstilen! Die machen einfach Spaß und kombinieren Ska-Rock mit griechischer Folklore, dass so richtig die Post abgeht. Wer da nicht tanzt, tanzt nie. Herrlich! Allerdings schwer einzuschätzen: Mögen die Jurys so was?

Tipp fürs Finale: Weiter

10. Israel: Moran Mazor - "Rak bishvilo"

Moran Mazor könnte mit ihrer Brille so etwas wie die Nana Mouskouri des 21. Jahrhundert werden. Die Stimme dazu hat sie jedenfalls, denn sie hat eine der schönsten Stimmen aller Frauen in der Saison 2013. Allerdings landete die Mouskouri 1963 nur am achten Platz. Israel liebt hymnische Powerballaden, und genau so etwas bekommen wir in Malmö zu hören.

Tipp fürs Finale: Leider eine Wackelkandidatin, ich hoffe sehr!

11. Armenien: Dorians - "Lonely Planet"

Nach der politischen Zwangspause 2012 in Aserbaidschan ist Armenien wieder da. Die 2013-Edition bietet ohnehin nur wenig Rockmusik, die aber immer Teil der musikalischen Vielfalt Europas war. Leider ist der Beitrag der Dorians eher mau. Sie treten, wie es sich gehört, in Jeans auf, Understatement wie bei den Niederlanden im ersten Semifinale, aber mit mehr Pyro. Aber Anouk, an und für sich auch eine Rückröhre, hat nun einmal das mit Abstand bessere Lied.

Tipp fürs Finale: Raus

12. Ungarn: ByeAlex - "Kedvesem (Zoohacker Remix)"

Der nächste Brillenträger! Ungarn kann man so gar nicht einschätzen, aber es gehört mit Griechenland und den Niederlanden zu meinen persönlichen Lieblingen 2013. Aber ob Europa das mag? Es ist ein ungeheuer entspanntes kleines Liedchen, will nicht auftrumpfen, sondern kommt einfach und bescheiden daher. ByeAlex entschied sich für eine Remix-Version für den Song Contest. Das Original ist sogar noch minimalistischer. Die Schwester des Sängers hat den Hintergrund gemalt. Unprätentiös singt sich ByeAlex in die Herzen der Malmöer.

Tipp fürs Finale: Weiter. Wehe, wenn nicht!

13. Norwegen: Margaret Berger - "I Feed You My Love"

Während die Buchmacher Dänemark als Sieger sehen, behaupte ich ganz frech: Norwegen wird gewinnen! Wenn ich die Songs das allererste Mal höre, liege ich mit meinen Tipps ja oft richtiger als zum jetzigen Zeitpunkt, wenn ich die Songs schon hunderte Male gehört habe. Und im März war ich mir ganz sicher, dass das ein Siegerlied ist. Aber vielleicht liege ich ja wieder einmal so wie 2011 daneben. Das Lied erinnert etwas an Björk: außergewöhnliche Arrangements, aber trotzdem ein funktionierendes und starkes Pop-Lied.

Tipp fürs Finale: Top

14. Albanien: Adrian Lulgjuraj & Bledar Sejko - "Identitet"

Die Postkarte vorab wird schon einmal provozieren: Es wird geraucht, hui! Die Sieger des traditionsreichen Këngës-Festivals liefern den zweiten Rocksong des Abends. Auch sie können das nicht ohne Pyro-Technik samt brennender Gitarren. Die Albaner haben aber eindeutig rauchigere Stimmen als die Armenier. Aber auch dieser Rocksong kann nicht wirklich überzeugen, was schade ist.

Tipp fürs Finale: Wackelkandidat, eher raus

15. Georgien: Nodi Tashvili & Sophie Gelovani - "Waterfall"

Georgien inszeniert sich in Malmö als Favorit und will es wirklich wissen. Komponiert wurde "Waterfall" von niemandem Geringerem als Thomas G:son, dem "Euphoria"-Schreiber. Angelehnt an Aserbaidschans Sieg 2011 schickt Georgien ein Duett ins Rennen. Allerdings handelt es sich um ein mittlerweile geschiedenes Paar, und böse Zungen meinen, dass die Spannung nach wie vor spürbar ist (die Blicke!). Eine getragene Ballade, die vor allem im Osten sehr beliebt sein wird. Dass wir nächstes Jahr nach Tiflis fahren werden, ist gar nicht so undenkbar. Georgien zählt eindeutig zum erweiterten Favoritenkreis.

Tipp fürs Finale: Weiter

16. Schweiz: Takasa - "You And Me"

Und wieder ein Generationenprojekt. In diesem Fall ein äußerst christliches. Mit einem 95-Jährigen schickt die Schweiz den ältesten Teilnehmer aller Zeiten auf die Eurovisionsbühne. Heilsarmee durften sie sich nicht nennen, sagte die EBU. Also zogen sie ihre Uniformen wieder aus und nennen sich jetzt Takasa. Da die Heilsarmee eher als homophob verschrien ist, zeigten sich die Schweizer in Malmö besonders lieb und tolerant. Sei es, wie es sei: Ich kann damit nichts anfangen, und mir fällt dazu nichts ein. Sorry.

Tipp fürs Finale: Raus

17. Rumänien: Cezar - "It's My Life"

Cezar war in den Tagen in Malmö sicher einer der sympathischsten Künstler, für jeden ansprechbar und wirklich unglaublich nett. Aber "It‘s My Life" ist das mit Abstand trashigste Lied 2013. Seine Falsettstimme ist unglaublich, der Auftritt als Dracula ist unglaublich, die Choreografie ist unglaublich gut, der Rest im Grunde unfassbar schlecht. So schlecht, dass es schon wieder gut ist. Aber wie mein rumänischer Mann meinte: Lasst es doch am Ende mit null Punkten untergehen! Wer Trash liebt, der muss heuer zu Rumänien halten.

Tipp fürs Finale: Eher nicht. (Marco Schreuder, derStandard.at, 16.5.2013)