Simon Schwaighofer: "Cannes ist ein rein auf Gewinn ausgerichtetes Unternehmen, ein Geschäftsmodell. Das macht es mir weniger wichtig und geradezu unsympathisch."

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STANDARD: Kommenden Mittwoch erklären Sie Österreichs Marketing- und Werbebranche, wie man den eigenen Ausverkauf vermeidet. Haben Sie den Eindruck?

Schwaighofer: Ja. Man darf sich als Kreativer nicht zu billig verkaufen, die Hosen herunterlassen. Marken achten zuwenig auf ihr Image, ihre Kultur und konzentrieren sich zu sehr auf das Produkt, auf die Fakten um das Produkt. Aber welche Emotion das Produkt auslösen soll, kommt offenbar oft nur an zweiter Stelle. Damit werden sie angreifbar für Billigprodukte.

STANDARD: Die schwierige wirtschaftliche Lage erhöht wohl den Verkaufsdruck.

Schwaighofer: Sicher. Das gefährdet natürlich auch die Marke selbst. Es geht auch um den Stolz, mit dem man etwas verkauft. Man kann auch Kreative nicht alleine nach Stunden bezahlen, entscheidend ist die Qualität der Arbeit. Man kann nicht jede Gelegenheit wahrnehmen, zu verkaufen. Dann verkauft man sich selbst.

STANDARD: Sie sind Kreativdirektor der konzerninternen Werbeagentur Red Bull Creative - einem Konzern, der offenbar versucht, Werbung und Marketing im klassischen Sinn am liebsten hinter sich zu lassen.

Schwaighofer: Wir heißen ja auch Creative und nicht Werbeagentur. Der ganze Konzern versteht sich als Familie von kreativ denkenden Menschen, die ständig Ideen entwickeln und bearbeiten.

STANDARD: Felix Baumgartners Stratosphärensprung wäre ein sicherer Kandidat für höchste Preise beim Weltwerbefestival von Cannes im Juni. Red Bull will aber nicht einreichen mit dem Argument, man verstehe das nicht als Werbung. Blutet Ihnen da als Werber nicht das Herz, Cannes einfach auszulassen?

Schwaighofer: Mir sind Kreativvereine wichtig, die ihre Einnahmen etwa aus Preisen in die Ausbildung des Nachwuchses stecken wie der Creativ Club Austria oder Art Directors Club in Deutschland. Cannes ist ein rein auf Gewinn ausgerichtetes Unternehmen, ein Geschäftsmodell. Das macht es mir weniger wichtig und geradezu unsympathisch. Ich bin auf Distanz zu Cannes. Aber natürlich würde ich mich geehrt fühlen, würde ich in eine Jury in Cannes eingeladen. Aber das ist nicht so wirklich meine Welt.

STANDARD: Eine seltene Skepsis in der Branche, scheint mir.

Schwaighofer: Das Prinzip ist einfach: Würde ich in Cannes etwas gewinnen, würde das meinen Marktwert in der Branche steigern. Ich könnte damit vermutlich einfacher bei einem der großen Werbenetworks einsteigen. Aber warum sollte ich das - die haben ihren Zenit überschritten.

STANDARD: Woran lesen Sie das ab?

Schwaighofer: Die Networks haben nicht mehr wie früher einen Knowhow-Vorsprung. In den 1990ern hatten sie Planner, die gemeinsam mit Kunden die Strategie erarbeitet haben. Das Internet hat sie diesen Vorsprung egalisiert. Heute traue ich eher kleineren Agenturen zu, dass sie wissen, wie es geht. Derzeit hätte ich mehr Vertrauen zu einem Startup, das den Zeitgeist intus hat, als einer alteingesessenen Networkagentur.

STANDARD: Das heißt, Sie gründen demnächst selbst ein Startup.

Schwaighofer: Nein, das hab ich nicht vor. Aber ich will künftig mehr vermitteln, wie man zu guten Ideen kommt.

STANDARD:  Verraten Sie uns das doch gleich einmal, wie man zu herausragender Werbung kommt. Haben Sie eine Formel?

Schweighofer: Das Umfeld ist noch wichtiger als der Kreative, der den Schritt zur Idee geht. Der Agentur muss das wichtig sein, vom Geschäftsführer bis zum Productioner, sonst kommt die Idee nicht. Ich habe zehn Jahre bei Springer & Jacoby gearbeitet, da weiß jeder bis zur Putzfrau, was eine kreative Idee ist, weil das gelebt wird. Und Kreative müssen auch Fehler machen dürfen. Für herausragende Werbung braucht es dieses Umfeld.

STANDARD: Und was ist herausragende Werbung?

Schweighofer: Die einen neuen Standard setzt. Eine Tür aufmachen und als erster durchgehen.

STANDARD: Ihre herausragendste Arbeit in der Hinsicht?

Schweighofer: Als ein Beispiel: eine der Webseiten für Red Bull Creative, die keine Webseite war. Sie bestand aus Einträgen in verschiedensten Foren weltweit, die untereinander verlinkt waren. Bei Ads of the World hatten wir die Homepage, mit einem Klick auf "Arbeiten" kam man auf ein Bastelforum, wo wir unsere Arbeiten präsentierten, "Kontakt" stand auf einer Singlebörse, die Agenturphilosophie stand auf einem Esoterikforum. Das war so eine neue Tür. Das war ein Kommunikationstool, ohne Facebook, ohne Twitter.

STANDARD: A propos: Verändern  Social Media Werbung - und wie?

Schwaighofer: Als Dialogmöglichkeit natürlich. Und natürlich ist ein Film auf Youtube eine billigere Werbeform als TV, und wenn er gut ist, macht er rasch eine Million Klicks. Neue Konkurrenz für klassische Kanäle, die Social Media aber wohl nicht ersetzen werden. Die Nutzung wird die Gesellschaft mehr aufsplitten. Und Schlachtschiff Facebook geht schon wieder zurück. Disney ist noch immer auf dem Zenit. Entscheidend bleibt auch bei Social Media: Es zählt noch immer die Idee. Was bringt mir eine Facebookseite, wenn ich dort gerade einmal frohe Ostern wünsche. Man muss sich weiter auf den eigenen Kopf verlassen.

STANDARD: Wo Sie überwiegend für Teile des Konzerns oder sein Umfeld arbeiten: Was ist eigentlich der Markenkern von Red Bull aus Innensicht? Was wollen, was sollen Sie vermitteln.

Schwaighofer: Die Menschen zu motivieren, über ihren Schatten zu springen. Bei jedem Briefing heißt es: Wir möchten wieder über eine Latte springen. Wir möchten wieder überraschen. Scheuklappen ablegen. Eine neue Türe aufmachen. (Harald Fidler, DER STANDARD, 18./19.5.2013)