Die Juristin Christine Baur von den Grünen ist die neue Frauenlandesrätin in Tirol.

Foto: gruene tirol

Im Jahr 2010 war Christine Baur noch Teil der "zornigen Frauen" und ging gemeinsam mit den autonom organisierten Frauen auf die Straße, um gegen die Politik der ÖVP-Frauenlandesrätin Patrizia Zoller-Frischauf zu protestieren. Zoller-Frischauf kürzte Gelder für Fraueneinrichtungen, bezeichnete sie als "Hobbyvereine" und unterstellte ihnen, "Kaffeekränzchen" abzuhalten.

Jetzt ist die Grünen-Politikerin selbst Frauenlandesrätin und will sich von der Politik ihrer Vorgängerin klar abgrenzen. Seit 2008 sitzt Baur bereits als Abgeordnete im Tiroler Landtag, jahrelang war sie Gleichbehandlungsanwältin für den Westen Österreichs. Eine brennende Frage für Tirols Feministinnen, nämlich den Schwangerschaftsabbruch in öffentlichen Spitälern zu ermöglichen, konnten die Grünen aber nicht in die Koalitionsvereinbarung reklamieren – anstelle dessen soll es nun eine Evaluierung geben. Und dennoch: Baur will in Tirol einiges bewegen.

dieStandard.at: Laut dem Tiroler Koalitionsabkommen werden die öffentlichen Kliniken weiterhin keine Schwangerschaftsabbrüche anbieten, dafür wird der Bedarf evaluiert. Warum ist die Öffnung der Spitäler für Abbrüche nicht Teil des Regierungsabkommens?

Baur: Es gibt einige in Tirol, die meinen, die Versorgung ist schon ganz gut geregelt. Es gibt im niedergelassenen Bereich mehrere, die Abbrüche anbieten, und es gibt immer noch Salzburg und Wien. Meiner Meinung nach hat sich die Situation für Schwangerschaftsabbrüche in Tirol von der Beratungssituation her verbessert.

dieStandard.at: Aber es gibt im gesamten Bundesland nur drei niedergelassene, also private GynäkologInnen, die einen Abbruch anbieten, und diese sind nicht gerade billig.

Baur: Es braucht nach wie vor Information und Geld. Schwangerschaftsabbrüche stehen eigentlich nur jenen Frauen zur Verfügung, die gut informiert sind und über die finanziellen Mittel verfügen. Das muss sich ganz klar ändern. Es muss vor allem leistbar sein. Ich setze mich schon lange dafür ein, dass die öffentlichen Spitäler in Tirol für Schwangerschaftsabbrüche geöffnet werden, und war auch Teil des "Aktionskomitee Schwangerschaftsabbruch". Ich weiß aber nicht, ob es gut ist, die Öffnung in einer Situation voller Druck zu vollziehen. Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg halte ich übrigens für pragmatisch genug – er wird die Augen nicht schließen, wenn die Evaluierung zeigt, dass wir die öffentlichen Spitäler für Abbrüche brauchen.

dieStandard.at: Wird ihn seine christlich-konservative Grundhaltung daran nicht hindern?

Baur: Es soll sich ja auch etwas verändern in Tirol. Das ist sozusagen die Idee dahinter.

dieStandard.at: Wie beurteilen Sie die frauenpolitische Arbeit Ihrer Vorgängerin? Und wie werden Sie sich von ihr unterscheiden?

Baur: Mein Konflikt mit meiner Vorgängerin war ein öffentlicher. Ihre Idee, den autonomen Fraueneinrichtungen das Geld zu kürzen bis hin zur kompletten Streichung, habe ich bekämpft. Im Vergleich zu ihr stehe ich zum Beispiel zu Quotenregelungen. Ich halte auch nichts von Ansagen wie "Wenn sich Frauen genug anstrengen, dann schaffen sie es schon". Es geht mir vor allem darum aufzuzeigen, dass die Probleme, vor denen Frauen stehen, strukturelle und keine individuellen sind. Zudem werde ich Frauen- und Familienpolitik nicht in einen Topf werfen, sondern strikt voneinander trennen.

dieStandard.at: Tirolerinnen verdienen im Vergleich zu den restlichen Österreicherinnen am wenigsten. 62 Prozent aller erwerbstätigen Tirolerinnen verdienen sogar weniger als 1.000 Euro brutto pro Monat. In Ihrem frauenpolitischen Programm spielt die Erwerbsarbeit von Frauen eine große Rolle. Wie wollen Sie gegen die Lohnunterschiede vorgehen?

Baur: Nachdem wir nicht für das Arbeitsrecht zuständig sind, braucht es bewusstseinsbildende  Maßnahmen bei den Betrieben und dann noch weiter Unterstützung für Frauen. Aus meiner Erfahrung als Gleichbehandlungsanwältin weiß ich, dass es sehr viel an Unterstützung braucht, dass Frauen dann im Betrieb und für sich die Lohngleichheit einfordern. Das muss man auch von der Wirtschaft verlangen. Auf der landespolitischen Seite können wir hier vor allem Fördermaßnahmen setzen.

dieStandard.at: Viele Tirolerinnen sind im Handel und im Tourismus tätig – also in der Privatwirtschaft und somit im Bereich, den ihr Koalitionspartner nicht gerne regulieren möchte.

Baur: Ich sehe einen gesetzlichen Handlungsbedarf auf Bundesebene, das ist ganz klar. Aber selbst die SPÖ bremst hier Forderungen der Grünen aus. Ich fordere seit langem, dass es ein Mindestlohngesetz gibt. Das scheint in Österreich aber nicht durchsetzbar.

Aber zur ÖVP: Es wird sich auch in der Tiroler Wirtschaft etwas verändern müssen. Es gibt auch genug Unternehmen, die sich sehr wohl etwas zur MitarbeiterInnenzufriedenheit, Diversität und Lohngleichheit überlegen. Wir sollten die ÖVP auch nicht so wahnsinnig dämonisieren. Das macht sie nur viel stärker, als sie eigentlich ist. Und: Die ÖVP ist ja kein monolithischer Block. Wenn ich die ÖVP so grauenhaft finden würde, könnte ich mit ihr auch nicht in eine Koalition gehen. Klar, sie sind in der Wolle gefärbte Schwarze, aber es gibt verschiedene Strömungen und Interessen in der ÖVP.

dieStandard.at: Wie soll es nach dieser Legislaturperiode für Frauen in Tirol aussehen?

Baur: An meiner Tür hängt der Spruch: "Wir müssen 2.000 Jahre Frauenabwertung aufholen." Die Wertschätzung der Frauen ist mir sehr wichtig. Wir müssen das gegenseitige Ausspielen, das Gut/Schlecht, Oben/Unten aufbrechen und die Solidarität unter den Frauen stärken. Es muss möglich und gesellschaftlich akzeptiert sein, nicht in traditionellen Rollenbildern zu leben – und das nicht nur in der Stadt, sondern auch am Land. (Sandra Ernst Kaiser, dieStandard.at, 17.5.2013)