Wien - Kinder aus einer weniger begüterten Familie mit niedrigem Bildungsstand der Eltern haben nach wie vor deutlich weniger Chancen im österreichischen Bildungssystem als jene aus einem sozioökonomisch bevorzugten Umfeld, kritisierte der Bildungssprecher der Grünen, Dieter Brosz, am Dienstag bei einem Pressegespräch in Wien und belegte dies mit Daten aus der internationalen Bildungsvergleichsstudie PISA und Studien des Instituts für Bildungsforschung. Brosz fordert deshalb, dass die Aufgaben der von Bildungsministerin Elisabeth Gehrer (V) eingesetzten Zukunftskommission ausgeweitet werden, um die "drastischen sozialen Probleme im Schulwesen" zu mildern.

Schülerleistung von Bildung der Eltern abhängig

Bei PISA würde sich bei einem Vergleich der zehn reichsten Staaten Europas sehr deutlich die hohe Abhängigkeit der Schülerleistungen von der Schulbildung der Eltern zeigen. In Finnland, dem Spitzenreiter in der PISA-Studie, betrage der durchschnittliche Leistungs-Unterschied zwischen Schülern, deren Eltern der höchsten Bildungsschicht angehören, und jenen, deren Eltern der niedrigsten Bildungsschicht angehören, 39 Punkte, in Irland sind es 37,5 Punkte. In Österreich sind es dagegen 91,5 Punkte, "was bedeutet, dass sich das Bildungsniveau der Eltern in Österreich viel stärker auswirkt als in jenen Ländern, die in der PISA-Studie vor uns lagen", so Brosz.

Leistungsunterschiede zwischen Schulen

Außerdem würden in allen neun Länder, die in der PISA-Studie bei der Lesekompetenz vor Österreich rangieren, die Leistungsunterschiede vorwiegend innerhalb einer Schule bestehen, in Österreich dagegen gebe es die Differenzen vor allem zwischen den Schulen. Brosz führt dies auf die frühzeitige Selektion in Österreich zurück, also die Entscheidung zwischen Hauptschule und AHS bereits nach der vierten Klasse Volksschule. Auch in der PISA-Studie wird der "Abbau der sozioökonomischen Segregation zwischen den Schulen" als mögliche Strategie dargestellt, um dem Problem der Unterschiede zwischen den Schulen beizukommen.

Dass der größte Einfluss auf die Bildungskarriere der Kinder vom Bildungsniveau der Eltern ausgeht, belegen auch Studien des Österreichischen Instituts für Familienforschung. Demnach maturieren 80 Prozent der Kinder von Akademikern. Bei Kindern von Eltern mit Pflichtschulabschluss sind es hingegen nur zehn Prozent - ein Verhältnis, das sich in den vergangenen Jahrzehnten kaum verändert hat.

Brosz für Chancenangleichung

Angesichts dieser Daten fordert Brosz, dass sich die Zukunftskommission mit der Frage auseinander setzt, wie die soziale Problematik im Schulsystem abgemildert werden kann. Ihm sei bewusst, dass das Schlagwort Chancengleichheit nicht umsetzbar sei, es gehe aber um eine Chancenangleichung. Notwendig sei, dass Gehrer die Kommission mit Themen wie Frühförderung im Vorschulbereich, individueller Förderung von Kindern aus sozioökonomisch benachteiligten Schichten und Überprüfung der Auswirkungen der frühen Selektion nach vier Schuljahren beauftrage.

Gegen Leistungsstandards, welche die Kommission ausarbeiten soll, hat Brosz grundsätzlich nichts, es hänge aber davon ab, wie man damit umgehe. Im Sinne von Qualitätskriterien seien sie zu befürworten, sollten sie aber für Rankings zwischen den Schulen verwendet werden, lehnt sie Brosz ab, "weil dann die Problematik einer sozialen Aufteilung zwischen den Schulen verschärft wird".(APA)