Mehr Fotos von dieser Etappe gibt's in einer Ansichtssache.

Foto: Victoria Lainer

Nach ein paar Tagen in Stone Town begeben wir uns nach Matemwe, einer Strandregion im Nord-Osten Sansibars. Der Ozean schillert in den unterschiedlichsten Türkis- und Blautönen und schwemmt Algen und Muscheln an den weißen Sandstrand. Dieser scheint endlos und menschenleer. Am Strand reihen sich Hotelresorts in den unterschiedlichsten Größen und Preisklassen aneinander. Wir spazieren am Strand entlang und schauen uns aus reiner Neugier auch die ganz edlen Resorts an, deren Preise uns blass machen. Am Vormittag sammeln die Frauen die Algen und hängen sie zum Trocknen in die Sonne um sie anschließend zu verkaufen. Zu Mittag kommen die Fischer mit ihren Daus gemeinsam mit der Flut wieder an den Strand.

Besuch im natürlichen Aquarium

Unweit vom Strand befindet sich die kleine Insel Mnemba. Die Unterwasserwelt vor Mnemba gilt als eine der schönsten weltweit und wurde von der Regierung 2002 zum Naturschutzgebiet erklärt. Wir leisten uns einen Tauchgang in diesem "natürlichen Aquarium". Auf der Bootsfahrt begleiteten uns Delphine für ein kurzes Stück. Der Tauchgang an sich war ein wahrhaft traumhaftes Erlebnis, umgeben von verschiedenen Fischschwärmen, mit den unterschiedlichsten kräftigen Farbkombinationen, schweben wir durch das Korallenriff und beobachten dieses faszinierende und vielseitige Ökosystem. Ein kleines Highlight des Tauchgangs war, als wir einen Baby Whitetip Reef Shark entdeckten.

Bunt gemischte Begegnungen und Träume

Sansibar ist ein sehr paradiesisches Fleckchen Erde. Umso spannender sind die verschiedenen Gespräche über Zukunftsträume und paradiesische Orte. Die Leute vor Ort erzählen uns immer wieder von ihren Träumen von einem besseren Leben im (ihrer Vorstellung nach) "Paradies Europa". Manche Menschen bitten uns offen um eine Hilfestellung; finanziell oder um eine Einladung für ein Visum.  Andere wiederum setzen, je nach ihren persönlichen Möglichkeiten, auch eigenständig Schritte. Wie die Rezeptionistin unserer Unterkunft und diesjährige Miss Sansibar. Sie träumt davon, eines Tages als Modedesignerin bei der Paris Fashion Week auf zu treten. Ihre Kleider schneidert sie sich selbst und durch ihre Arbeit kann sie sich auch die Französischkurse leisten. In die entgegengesetzte geographische Richtung ging der Traum eines Italieners, der sich mit einem Hotel in Stone Town seinen Traum realisiert hat. Wir schließen in den Tagen auch die Bekanntschaft mit einem Schotten, dessen Lebensweg mehrmals um die Erde geführt hat. Sein Paradies ist nicht an Orte sondern mehr an Situationen und Begegnungen geknüpft.

Ein junger Mann aus Sansibar nimmt uns an einem Abend mit in eine Bar, ein Stück außerhalb von Stone Town in Sansibar Stadt. Auf einen ohrenbetäubenden Soundcheck folgt aktuelle lokale Musik, die die betagten und lässigen Musiker zum Besten geben und die Leute - uns mit eingeschlossen - auf die Tanzfläche zieht.

Aufbruch zum Festland

Nach den Tagen auf Sansibar sind wir dann doch überreif, um von der Insel zu gehen. In Dar es Salaam übernachten wir per Zufall nur um die Ecke von dem 14-stöckigen Gebäude, das kurze Zeit zuvor aufgrund eines massiven Baufehlers noch im Rohbauzustand eingestürzt ist. Das Bauvorhaben umfasste zwei 14-stöckige Hochhäuser, von denen das zweite zwar noch steht, auf dessen Einsturz nun aber täglich gewartet wird. Die Straße wurde abgesperrt und die Nachbarhäuser evakuiert, die Absperrung wird aber nicht besonders ernst genommen. Auf der Straße finden sich immer wieder Menschengrüppchen zusammen, die den Vorfall energisch diskutierten. Aufgrund des rapiden Wachstums der Stadt herrscht in Dar es Salaam reger Bauboom, zu schnelles und billiges Bauen birgt allerdings das Risiko von gravierenden Baufehlern und in deren Folge auch Einstürzen.

Ellenbogeneinsatz

Die Reise geht weiter nach Bagamoyo. Auf dem Bus-Bahnhof habe ich Probleme mit meinem großen Rucksack aus dem Bus zu kommen. Denn kaum hat der Bus angehalten, drängen sich die Passagiere hinaus, während neue Passagiere sich hineindrängen, ohne Rücksicht auf Verluste. Manche klettern sogar über die Fenster hinein. Schließlich wollen alle mitfahren und Sitzplätze sind rar und heiß umkämpft in den kleinen Minibussen (in Tansania: Dalla dalla). Da ich aber raus will, anstatt wieder in die Innenstadt zurückzufahren, muss ich es den anderen Passagieren gleichmachen, sprich Ellenbogen raus und durchquetschen.

Das historische Zentrum von Bagamoyo hat mich sehr überrascht, denn viele der alten Gebäude sind regelrecht in sich eingebrochen. In einer verlassenen Hotelanlage steht ein Denkmal zur Erinnerung an die Gräuel des Sklavenhandels. Der düster wirkende Ort wird von den Familien, die nun dort eingezogen sind, neu belebt. Dem entgegen herrscht am Fischmarkt fröhliches und reges Treiben, da am Strand gerade die Fischerboote voll beladen zurückgekommen sind. Wir erkundigen uns nach lokalen Restaurants, diese finden wir im neuen Teil der Stadt. Dort bestelle ich Ugali und ernte wiedermal verwunderte Blicke. Ugali nennt sich der Maisbrei in Kenia und Tansania, der mit den Händen gegessen wird. Egal ob im Gespräch mit anderen Reisenden oder den Leuten vor Ort, meine Begeisterung für diese Speise stößt immer wieder auf Verwunderung. Mein Freund zum Beispiel vergleicht Ugali gerne mit Wasser, beide sind geschmacklos, dienen aber der Ernährung. All der Verwunderung zum Trotz: Ich knete und esse wahnsinnig gerne Ugali!

Passagiere, Busfahrer und Kontrolleur

In einem "Dalla Dalla" (Minibus) geht es weiter nach Morogoro. Meine wenigen Kiswahili-Kenntnisse reichen für einen netten Smalltalk mit meiner Sitznachbarin. Kurz nach der Abfahrt werden wir unterbrochen, da der Kontrolleur das Geld einsammelt. Für unsere großen Rücksäcke will er jeweils mehr als den normalen Fahrpreis verlangen. Wir hatten beim Einstieg offenbar einen falschen Preis verstanden. Der uns abverlangte hohe Preis stößt aber auch bei den anderen Passagieren auf großen Unmut. Es ergibt sich eine heftige und lautstarke Diskussion. Abgesehen von den Zahlen und "not fair" verstehen wir nicht viel. Zwischendurch übersetzt uns immer wieder ein Fahrgast, der Englisch spricht. Der Busfahrer hält schließlich an und kommt an ein Fenster um mit zu diskutieren. Wir können uns schließlich auf einen Preis einigen, der zwischen dem zuerst geforderten und dem lokalen liegt. Meine Sitznachbarin versucht mir nochmal alles mit Händen und Füßen zu erklären. Nachdem die Sache geklärt ist, änderte sich das Gesprächsklima im Bus wieder schlagartig. Musik wird eingeschaltet und man plaudert normal weiter. Als mein Freund anfängt zur Musik mit zu wippen wird es abermals laut im Bus, aber diesmal durch herzhaftes Lachen. (Victoria Lainer, derStandard.at, 23.5.3013)