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Dan Brown, "Inferno". € 26,- / 688 Seiten. Bastei Lübbe, Köln 2013

Foto: EPA/OLE SPATA

Der Theaterdonner des Marketings ist verklungen, die Nebelschwaden des Hypes haben sich verzogen, die Übersetzer sind aus dem Bunker entlassen, und zu entdecken ist das Erwartbare: Dan Browns neuer Thriller arbeitet mit vertrauten Figuren und nach bewährtem Rezept.

Der Symbolforscher Robert Langdon wacht in einem Florentiner Krankenhaus auf, ohne zu wissen, wie er dorthin gekommen ist. Eine Ärztin verbündet sich mit dem Patienten und ergreift mit ihm zusammen die Flucht, als dubiose Häscher das Krankenhaus stürmen. Das Gedächtnis Langdons kehrt Stück für Stück zurück. Ausgehend von einem seltsamen Rollsiegel, begibt sich das Paar auf eine Schnitzeljagd. Die Fährte führt zu Verstecken mit Symbolen, die entschlüsselt werden müssen und zu weiteren Orten und Zeichen führen. Action ohne Pause, eine Hetze von einem Kulturdenkmal zum anderen.

Palazzi, Fresken, Gemälde und die Totenmaske Dantes geben Hinweise, und das liest sich oft wie ein beflissener Kulturführer für die gebildeteren Stände. Browns Frau ist Kunsthistorikerin, sie wird wohl auch für Details zuständig gewesen sein. Als Leitmotiv dient Dantes Göttliche Komödie, wobei die schauerlichen Höllenbilder die Fantasie von Künstlern und Gläubigen immer weit mehr angeregt haben als das eher blasse Paradies, und das gilt auch für den Autor von Inferno. In den berühmten Klassiker Dantes, den wohl nur Spezialisten zur Gänze gelesen haben, kann man viel hineingeheimnissen. Die ausgeklügelten Strafen für Sünder, die zahlreichen mythischen und historischen Persönlichkeiten mit ihrer Biografie und ihren Verfehlungen - das ist schwer zu entschlüsseln. Für den Thrillerleser mag Wikipedia eine Ahnung davon vermitteln. Vermutlich werden in diesem Sommer zusätzlich zu den Heerscharen von Touristen, die Florenz heimsuchen, noch die Dan-Brown-Pilger hinzukommen.

Browns perfekte Erzählkonstruktion wirkt indes so seelenlos wie ein Computerprogramm. Die Abschnitte schildern abwechselnd die Aktionen der Verfolgten und jene der Verfolger und enden jeweils mit einem Cliffhanger. Dieses gleichmäßige Muster ist ermüdend, weil es so kalkuliert erscheint. Dazu kommt eine häufig pathetische Sprache, etwa wenn der Urheber des Verderbens auf einem Video die Beweggründe für seine Taten erläutert.

Er ist ein genialer, aber möglicherweise wahnsinniger Genforscher, der die Hölle auf Erden verhindern will und deshalb drastische Maßnahmen ergreift. Der Genforscher, der sich selbst als Helden sieht, gibt den Bösen, während es Langdon um nichts weniger als die Rettung des Planeten geht. Das Problem gäbe durchaus genug Stoff für kontroversielle Debatten. Solche werden aber nicht geführt, weil keiner, der sich öffentlich darauf einließe, ohne Beschädigung davonkäme. Inferno ist ein Thriller aus dem Labor, man kann ihn schnell konsumieren oder sich auf die kunsthistorischen Seitenpfade locken lassen. Für den Urlaub geht beides. (Ingeborg Sperl, Album, DER STANDARD, 25./26.5.2013)