Bild nicht mehr verfügbar.

Zehn bis 15 Prozent der Arbeitszeit in jedem Unternehmen werden für Konflikte aufgewendet.

Foto: APA/dpa/Lübke

Konflikte sind teuer. Oft kommt es letztendlich zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung, zu Mitarbeiter- oder Kundenfluktuation, Entgeldfortzahlungen und vieles mehr. Darüber hinaus leuchtet ein, dass ein zufriedenstellendes Arbeitsklima auch die Produktivität der Mitarbeiter ankurbelt.

Konflikten auf die Spur zu kommen, sie oder deren Ursachen zu definieren ist oft nicht einfach, zumal sie sich dynamisch in und zwischen den Dimensionen Person, Team und Organisation hin- und herbewegen.

Wie hoch die Reibungsverluste durch Konflikte in Unternehmen sind, ist laut einer Studie des Wirtschaftsprüfers KPMG schwer zu beziffern - mit Ausnahme der Kosten durch Personalwechsel bzw. Mitarbeiterfluktuation, die von 93 Prozent der insgesamt 111 befragten Industrieunternehmen unterschiedlicher Größen (von unter 100 bis zu mehr als 50.000 Mitarbeitern) angegeben wurden.

Über durch Krankheit verursachte Kosten - etwa durch Fehlzeiten oder durch verringerte Produktivität - können rund drei Viertel der befragten Unternehmen Auskunft geben. Die von KPMG erhobenen Kosten, die durch Konflikte entstanden sind, schwanken zwischen 50.000 und 500.000 Euro im Jahr. Jeder Fall von Mobbing kostet laut Untersuchung ein Unternehmen durchschnittlich 60.000 Euro.

Zeit und Geld gehen verloren

Hoch ist auch der Zeitaufwand, der zur Konfliktbewältigung benötigt wird: Zehn bis 15 Prozent der Arbeitszeit in jedem Unternehmen werden dafür aufgewendet. 30 bis 50 Prozent der wöchentlichen Arbeitszeit von Führungskräften werden direkt oder indirekt mit Reibungsverlusten, Konflikten oder Konfliktfolgen verbracht, heißt es weiter.

Die Studienautoren bezifferten die Fluktuationskosten, Abfindungszahlungen, Gesundheitskosten aufgrund innerbetrieblicher Konflikte mit einer jährlichen Belastung "von mehreren Milliarden Euro". Allein Fehlzeiten aufgrund betrieblicher Ängste und Mobbing am Arbeitsplatz sollen, so die Studie, Unternehmen mit jährlich ca. 30 Milliarden Euro belasten. Die Studienautoren sehen ein Reduktionspotenzial bei Konfliktkosten pro Jahr von mindestens 25 Prozent. Wenig überraschend raten die Berater zu einem strukturierten, professionellen Konfliktlösungsprozess.

Die Einführung eines solchen Prozesses scheitert aber häufig - auch wenig überraschend - an den zuständigen Führungskräften, sagt Herbert Drexler, ehemaliger Vorstand von Siemens in Kroatien und heute als selbstständiger Unternehmensberater Obmann des Bundesverbands für Mediatoren. "Viele Manager glauben, es ist ein Zeichen von Schwäche, wenn sie den Konflikt nicht selbst lösen. Doch ein Außenstehender hat ganz andere Möglichkeiten."

In Österreich gibt es derzeit 2485 sogenannte "eingetragene Mediatoren". Diese Bezeichnung darf nur führen, wer in der Liste der Mediatoren des Justizministeriums geführt wird. Voraussetzung dafür ist unter anderem das Mindestalter von 28 Jahren, eine entsprechende Ausbildung in einer zertifizierten Ausbildungsstätte wie dem Wirtschaftsförderungsinstitut (Wifi) oder dem Berufsförderungsinstitut (Bfi) und dass man "die Kenntnisse und Fertigkeiten der Mediation hat und ihre rechtlichen und psychosozialen Grundlagen kennt".

Außerdem verpflichtet man sich zu berufseinschlägiger Fortbildung in Form von Seminaren und Kursen innerhalb von fünf Jahren im Ausmaß von 50 Stunden. Die Ausbildung ist nach dem Zivilrechtsmediationsgesetz seit dem Jahr 2004 klar geregelt und umfasst einen theoretischen und einen anwendungsorientierten Teil. Der Begriff "Mediator" allein ist allerdings rechtlich nicht geschützt.

Verstecktes Bedürfnis dahinter

In der Wirtschaftsmediation wird zwischen zwei Bereichen unterschieden, die über die reine Konfliktlösung hinausgehen. Unternehmensintern kann sie etwa bei Mobbing, Personalabbau, Abteilungskonflikten, bei der Installierung eines neuen Führungsteams oder Organisations- oder Kulturveränderungen zum Einsatz kommen. Externe Bereiche wären zum Beispiel Konflikte mit Lieferanten, Kunden, Anrainern, Behörden oder auch der prophylaktische Einsatz als Prozessbegleitung bei geplanten Projekten. "Bei solchen Angelegenheiten reicht es nicht, eine Rund-Mail auszuschicken. Sie sind ein komplexer Bewusstseinsbildungsprozess", sagt Michael Hamberger, Vorstandsmitglied der Experts Group Wirtschaftsmediation der Wirtschaftskammer.

Diese Fachgruppe besteht aus rund 230 Mediatoren in ganz Österreich, die nicht nur in der Liste des Justizministeriums eingetragen sind, sie sind auch von der Wirtschaftskammer überprüfte Unternehmensberater mit Gewerbeschein. "Ein Wirtschaftsmediator bedarf über die reguläre Ausbildung hinaus einiger Zusatzqualifizierung. Bei uns hat jeder Mediator eine konkrete Spezialisierung etwa auf den Immobilienbereich oder das Versicherungswesen", sagt Hamberger. Über die " Wirtschaftskonflikthotline" können sich Kammermitglieder kostenlos beraten lassen und erhalten Erstinformationen zur Wirtschaftsmediation. " Mediation ist zwar derzeit auf dem Vormarsch, das Berufsbild muss allerdings noch weiter spezifiziert werden, damit Unternehmen wissen, wann genau der Einsatz eines Mediators sinnvoll ist", sagt Hamberger.

Er wie auch sein Kollege Herbert Drexler glauben, dass Konfliktmanagement in Zukunft eine ähnliche Bedeutung wie das Qualitätsmanagement in Unternehmen haben wird. Denn um "kosten- und konfliktkostengünstig" zu agieren, sei es wichtig, möglichst früh und präventiv einen Wirtschaftsmediator heranzuziehen. Die Ergebnisse der KPMG-Umfrage bestätigen diese Annahme. Nicht zuletzt könne die Einbindung externer Mediatoren auch die Führungskräfte und ihre Teams entlasten. Denn: In Unternehmen sei es schlussendlich wie in einer Beziehung, glaubt Drexler: "Es geht nie darum, dass der andere die Zahnpastatube offen lässt, sondern um den verborgenen Konflikt, dass der Partner nicht im Haushalt hilft. Doch dieses versteckte Bedürfnis muss jemand erkennen." (Katharina Mittelstaedt, ManagementStandard, 25./26.5.2013)