Markus Knopp, Vorstand von Austrian Gay Professionals.

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17 Prozent der Homosexuellen in Österreich verzichten aufs Outing am Arbeitsplatz, 32 Prozent weihen einige Personen ein, 28 Prozent die meisten Kollegen und nur 23 Prozent alle.

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Diskriminierung von Homosexuellen ist in der EU nach wie vor weit verbreitet. Das zeigt eine Studie, die kürzlich zum Internationalen Tag gegen Homophobie veröffentlicht wurde. Ein schlechtes Zeugnis wird auch Österreich ausgestellt - vor allem im beruflichen Umfeld. Sollen sich Homosexuelle im Büro überhaupt outen? Markus Knopp von Austrian Gay Professionals im Interview mit derStandard.at.

derStandard.at: In den vergangenen zwölf Monaten wurden in Österreich 15 Prozent der Homosexuellen bei der Jobsuche diskriminiert, 20 Prozent klagen über Diskriminierung am Arbeitsplatz. Überraschen Sie diese Ergebnisse?

Knopp: Nein, denn Österreich steht im internationalen Vergleich eher schlecht da.

derStandard.at: Ist die Situation in Österreich besonders schlimm?

Knopp: Wir sind sicher besser als das eine oder andere ost- oder südeuropäische Land, aber wenn wir uns mit Deutschland oder der Schweiz vergleichen, dann hinken wir eindeutig nach. Das liegt definitiv daran, dass sich in Österreich kaum Politiker, hohe Beamte oder Manager outen.

derStandard.at: Weil Sie Deutschland und die Schweiz erwähnen: Geht es nur um Outings, die auf höchster Ebene stattfinden, oder ist das gesamte gesellschaftliche Umfeld toleranter?

Knopp: Es ist sehr wichtig, dass Persönlichkeiten offen dazu stehen. Es ist ja schön, dass die High Society kein Problem mit Homosexuellen hat, schön wären aber auch Outings auf anderer Ebene. Wir wissen von Politikern und Unternehmern, dass sie heimlich schwul leben. Also eine Familie haben und heimlich einen Freund. Das ist im beruflichen Umfeld ein Problem - etwa wenn Sie im Büro gefragt werden, wie Sie das Wochenende verbracht haben, und Sie irgendeine Freundin vorschieben müssen, weil Sie sich nicht geoutet haben.

derStandard.at: Zweckehen sind also im Management keine Seltenheit?

Knopp: Es gibt genügend Beispiele. Ich möchte keine Namen nennen, weil ich gegen ein Zwangsouting bin. Es ist aber schön zu sehen, dass es junge Menschen gibt, etwa Lehrlinge, die zu ihren Vorgesetzten gehen und ganz selbstverständlich von ihrem Freund sprechen. Politik und Gesetze hinken der Gesellschaft zum Teil weit nach, die ist da schon viel weiter. Es geht um Maßnahmen von oben. Der Vorstandsvorsitzende hat gelernt, zu argumentieren und seine Netzwerke zu nutzen, er wird bei einem Outing weniger Probleme haben als der Portier. Und wenn der Vorgesetzte geoutet ist, weiß jeder in der Firma, dass er sich outen darf, dass ein offenes Klima herrscht.

derStandard.at: Und wenn es auf höchster Managementebene keine Homosexuellen gibt, die das Outing auf unteren Ebenen erleichtern?

Knopp: Es gibt auch in Österreich genügend positive Beispiele, etwa IBM - eine Firma, die sich im Diversity Management stark engagiert. Chefin ist Tatjana Oppitz, eine nichtlesbische Frau. Hier bekommt jeder das Gefühl vermittelt, dass ein Outing kein Problem ist. Er oder sie wird nicht schief angesehen. Falls doch, wird derjenige von der Mehrheit zurechtgewiesen.

derStandard.at: Also eine Frage der Unternehmensphilosophie?

Knopp: Ja, ein gutes Beispiel ist auch die Bank Austria. Es wird immer gesagt, dass in der Finanzwelt alle so konservativ sind, aber das stimmt nicht. Die Bank Austria und IBM haben den Meritus (Auszeichnung für lesbisch-schwulenfreundliche Firmen, Anm.) gewonnen, die stehen in ihrer Diversity-Arbeit hinter ihren Mitarbeitern und unterstützen sie.

derStandard.at: Was sind die häufigsten Diskriminierungsmechanismen am Arbeitsplatz?

Knopp: Das lässt sich schwer verallgemeinern. Es macht zum Beispiel irgendjemand in einer Runde einen schlechten Witz über Homosexuelle, er weiß aber nicht, dass sein Gegenüber schwul ist. Wüsste er das, könnte er den Witz so erzählen, dass alle darüber lachen. Sonst führt das genau zu dem Punkt, dass man sich eigentlich gegenüber den Kollegen nicht outen will. Der kleine Angestellte muss genauso vorsichtig sein wie der Firmenchef, weil man leicht einen Menschen verletzen kann. Diskriminierung passiert ja meistens unbewusst, eine unbedachte Äußerung reicht da schon.

derStandard.at: Sind Witze über Homosexuelle nicht per se schwulenfeindlich und als solche eine Diskriminierung?

Knopp: Nein, überhaupt nicht. Wenn wir nicht über uns lachen können, haben wir sowieso ein Problem. Denken Sie nur an den jüdischen Witz.

derStandard.at: Und abseits von Witzen - welche Diskriminierungen gibt es noch?

Knopp: Wenn Leute zum Beispiel privat glücklich sind, es sich aber nicht zu erzählen trauen, weil sie nicht das Gefühl haben, dass sie das im beruflichen Umfeld tun können. Das muss von oben klargemacht werden.

derStandard.at: Geht es nur um verbale Diskriminierung?

Knopp: Ergänzend muss man noch sagen, dass in Österreich eine gläserne Decke existiert. Nicht nur für Frauen, sondern auch für Homosexuelle. Wenn man geoutet schwul ist, kann es schon passieren, dass man in der Hierarchie nicht nach oben kommt. Da gibt es Bedenken, dass jemand in der Öffentlichkeit mit seinem Freund auftritt. Aber wenn das die deutsche Bundesregierung schafft, dann wüsste ich keinen Grund, warum das in Österreichs Wirtschaft nicht auch gelingen kann.

derStandard.at: Plädieren Sie klar für ein Outing am Arbeitsplatz?

Knopp: Ich versuche immer, alle Schwulen und Lesben zu bestärken, dass sie sich outen. Das ist vergleichbar mit einem Umzug. Am Anfang ist es mühsam, aber wenn man angekommen ist, freut man sich und ist glücklicher. Dieser Schritt ist sowohl für die unmittelbare Umwelt als auch für einen selbst eine Veränderung, aber man sollte ihn gehen.

derStandard.at: Die sexuelle Orientierung sollte also Ihrer Meinung nach am Arbeitsplatz sehr wohl eine Rolle spielen?

Knopp: Ich bin für ein Outing am Arbeitsplatz. Niemand würde heute sagen, es ist egal, ob sie Frau oder Mann sind. Frauen haben gewisse Verhaltensmuster, Männer haben gewisse Verhaltensmuster. Man kann das zwar nicht pauschalisieren, gewisse Unterschiede sind aber da. Moderne Unternehmen machen sich diese Unterschiede zunutze.

derStandard.at: Ein Patentrezept dafür wird es wohl nicht geben, dennoch: Wie sollte man am besten vorgehen?

Knopp: Im ersten Schritt sollte der engste Kollegenkreis eingeweiht werden. Also jene Leute, denen man vertraut, danach geht es erst in die Breite. Und man sollte aufhören, irgendwelche Dinge zu erfinden. Hat man von Anfang an Befürchtungen, sollte man auch mit dem Vorgesetzten oder dem Betriebsrat sprechen, wenn Vertrauen da ist.

derStandard.at: Und wenn es eine schwulenfeindliche Atmosphäre gibt?

Knopp: Wenn ich als Schwuler in einer Firma arbeite, in der es schwulenfeindlich zugeht, gibt es für mich zwei Varianten: Entweder ich gehe zum Chef und hoffe auf seine Unterstützung, oder ich gehe zu einer Firma, die mir ein besseres Arbeitsumfeld bietet. Das ist auch ein Grund, warum sich Unternehmen im Diversity Management engagieren. Genießen sie einen guten Ruf in der Schwulen- und Lesben-Community, dann haben sie eine neue Zielgruppe, um gute Arbeitskräfte zu bekommen.

derStandard.at: Man könnte auch auf gesetzlicher, arbeitsrechtlicher Ebene gegen Diskriminierungen am Arbeitsplatz aktiv werden.

Knopp: Natürlich gibt es Möglichkeiten, sich beispielsweise an die Antidiskriminierungsstelle zu wenden, aber ich empfehle niemandem, zuerst einmal nur das Gesetz vor sich herzutragen, sondern es mit der eigenen Persönlichkeit und dem Können zu versuchen. Also zuerst das Problem mit vertrauten Personen im Berufsumfeld zu besprechen.

derStandard.at: Sollte man seine sexuelle Orientierung bereits direkt beim Vorstellungsgespräch zum Thema machen?

Knopp: Ich bin jetzt 43 Jahre alt, als 20-Jähriger hätte ich es mich nicht getraut. Ich weiß, dass das mittlerweile Leute machen. Auch Jüngere, die das ganz bewusst zur Sprache bringen, weil sie keine Lust haben, irgendwo zu arbeiten, wo Homosexuelle nicht erwünscht sind. Es verhält sich wie beim Outing: Jeder muss das für sich selbst entscheiden. Viele suchen sich Firmen nach dem Gesichtspunkt aus, ob sie schwulen- oder lesbenfreundlich sind.

derStandard.at: Und das Vorstellungsgespräch ist Ihrer Meinung nach bereits der Zeitpunkt, um das abzuklären?

Knopp: Wenn Sie zum Beispiel sagen, dass Sie in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft leben, oder sagen, dass Sie verpartnert sind, werden Sie sicher nur dann aufgenommen, wenn diese Firma grundsätzlich nichts gegen Homosexuelle hat.

derStandard.at: Unternehmen selbst dürfen ja nicht nach der sexuellen Orientierung fragen. Das wäre eine Form der Diskriminierung.

Knopp: Na ja, der Familienstand "verheiratet" verrät in Österreich bereits, ob jemand heterosexuell ist oder nicht. Man kann das als Firma umdrehen, indem man beispielsweise offensiv in Medien wirbt, die sich an Homosexuelle richten. Es gibt Unternehmen, die beim Pride Village am Wiener Heldenplatz dabei sind oder beim Meritus mitmachen. Das heißt, die sind in der Community bekannt.

derStandard.at: Welche Initiativen gibt es noch?

Knopp: Die Wirtschaftskammer Wien hat ein Diversity-Referat gegründet, um innerhalb der Unternehmen für ein Umdenken zu sorgen. Hier wurde in den letzten Jahren tatsächlich viel bewegt.

derStandard.at: Haben Sie persönlich Diskriminierung im beruflichen Umfeld erlebt?

Knopp: Nein, ich glaube, als Selbstständiger hat man es leichter. Man outet sich gar nicht, weil man mit den Kunden ohnehin nicht so einen engen Kontakt hat. Innerhalb meiner Firma oder als Angestellter war ich immer geoutet, das war nie ein Problem. Ich möchte den Menschen nichts Schlechtes unterstellen und glaube, dass viele Diskriminierungen unbewusst passieren, weil Leute einfach nicht Bescheid wissen. (Oliver Mark, derStandard.at, 29.5.2013)