"Every year is the same and I feel it again, I'm a loser, no chance to win" - The Who liefern die perfekte Begleitmusik zum dritten Wiener Lesetest. Seit Jahren hat sich an der Lesefähigkeit der Schüler und Schülerinnen praktisch nichts geändert. Die Verbesserungen, die erzielt wurden, sind so gering, dass sie nicht einmal für Selbstlob des Stadtschulrats herhalten können. Aber wer ist schuld daran? Who?

Die Parteien beschuldigen sich wie üblich gegenseitig, mit Intensivförderkursen will man das Fiasko nun an den Schulen angehen. Das Problem ist jedoch hausgemacht, und die Lösung liegt im Babybett. Wenn es Kinder gibt, die erst in der ersten Klasse Volksschule mit einem Buch konfrontiert werden, dann ist das einfach zu spät. Kinder müssen schon viel früher Lust auf das Lesen bekommen. Diese Lust müssen aber nicht primär die Lehrer und Lehrerinnen oder die Kindergartenpädagoginnen und -pädagogen erzeugen, sondern sie liegt in der Verantwortung der Eltern.

Ein spielerischer Zugang zu Lesestoff (egal ob das ein Buch, ein Comic-Heft, eine Waschmittel-Anleitung oder eine kindertaugliche App auf dem iPad ist) muss schon im Babyalter gefördert werden, damit sich erste Bilder später mit Buchstaben und noch später mit Sätzen leichter verbinden lassen. Gemeinsames Durchblättern von Bilderbüchern und Vorlesen leisten einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung der Lesefähigkeit. Das ist freilich nicht nur Vergnügen, sondern auch eine Menge Arbeit. Und benötigt Zeit, die Eltern in Zeiten der Krise möglicherweise eher für ihren Job aufwenden. Es ist aber eine Zeit, die man sich und den Kindern später spart, und die Beschäftigung mit kindlichen Texten macht definitiv mehr Spaß als Nachhilfeunterricht. (Rainer Schüller, derStandard.at, 29.5.2013)