Passend zum Thema Immobilienblase fanden einige Diskussionen in einer pneumatischen, aufgepumpten Bubble statt. Der temporäre Veranstaltungsort im Park stieß auf großes Interesse.

Foto: CEIT Alanova

Mit rund 350 internationalen Teilnehmern ging am Donnerstag vergangener Woche der Kongress Real Corp 2013 zu Ende. Diesmal in Rom. An vier Tagen fanden allerlei Diskussionen und Vorträge statt, doch der Großteil der Zeit war der Präsentation von rund 170 Thesenpapieren - Neudeutsch: " Papers" - gewidmet. Die mittlerweile 18. Konferenz zu Themen der Stadtplanung, Regionalentwicklung und Informationsgesellschaft stand dieses Jahr unter dem Motto "Planning Times" und forderte im Untertitel, angelehnt an einen Song von Bob Dylan, auf: "You better keep planning or you get in deep water, for the cities they are a-changin' ..."

Auf diesem Kongress zeigte sich aber überraschenderweise: Immer nur weiter und weiter zu planen, ist in einer zunehmend digital vernetzten Welt und in einer Gesellschaft, die durch unterschiedlichste Trends in der Demografie sowie in der Stadtentwicklung geprägt ist, gar nicht möglich. Vielmehr müssen Stadt- und Regionalplanung an verschiedenen Orten ebenso verschiedenen Gegebenheiten gerecht werden. So gab es denn auch keinen roten Faden zwischen den zahlreichen Präsentationen.

Hochkonjunktur: Smart Citys

Die Vielfalt der präsentierten Themen spiegelte die inhaltliche Disparität wider. Sie reichte von der Optimierung von Bauabläufen in Sardinien über die Lenkbarkeit von Verkehrsströmen in chinesischen Metropolen bis hin zu Planungen für die Fußballweltmeisterschaft 2018 in Russland. Zwei übergreifende Trends allerdings kristallisierten sich in den Diskussionen heraus: Erstens steht heute zunehmend wieder der Mensch im Mittelpunkt. Und zweitens feiert - nach Abgesängen auf die begriffliche Chimäre Nachhaltigkeit - der Begriff "Smart Citys" derzeit Hochkonjunktur.

Die menschliche Perspektive spielt in der Tat eine große Rolle: Das Thesenpapier "Human Sensory Assessment Methods in Urban Planning. A Case Study in Alexandria", das sich mit der sensorischen Messung von körperlichen Reaktionen auf unterschiedliche Wahrnehmungen in Städten beschäftigt, wurde mit dem Preis "Best Paper" ausgezeichnet. Mithilfe von digitaler Technik wurden in Alexandria, der zweitgrößten Stadt Ägyptens, diese Wahrnehmungen an Einheimischen und Fremden empirisch untersucht - auf Spaziergängen durch die Stadt und entlang der Strandpromenade.

Ismael Fernandez Meija wiederum, Stadtplaner aus Mexiko-Stadt, betonte in seiner Keynote den "Human Scale", also den menschlichen Maßstab, als Basis zukünftiger Stadtplanung. Er war es auch, der in seiner Rede anzweifelte, ob theoretische Planungskonzepte für die "Stadt der Zukunft" einer "Zukunft der Stadt" überhaupt gerecht werden können.

Das post-olympische London

Dass bei all diesen planerischen Themen die Immobilienwirtschaft eine entscheidende Rolle spielt, betonte Judith Ryser, Urbanistin und Stadtplanerin aus London sowie Leiterin von Cityscope Europe. In ihrem Beitrag über "London after the spectacle year: Who claims which space and who gets it?" zeigte sie am Beispiel der Veränderung der britischen Hauptstadt durch die Olympischen Spiele 2012 auf, dass das Eigentum an Grund und Boden nicht nur ein Paradigma für die Planung, sondern auch ein grundlegendes Interesse der Immobilienbranche ist.

Einen weiteren Brückenschlag zur Immobilienwirtschaft trug Claudio Pancheri bei. Der ehemalige Leiter von "Risorse per Roma", der römischen Verwertungsgesellschaft stadteigener Immobilien, und heutige CEO der internationalen Immobilienberatung "Raethia", verwies in seinem Vortrag auf effiziente Umnutzungen. Zum Beispiel: Am römischen Hauptbahnhof Termini befanden sich bis vor kurzem Kasernen - eine besonders ineffiziente Nutzung in dieser Toplage. Nach der Umsiedlung des Militärs an den Stadtrand wurde das Areal verkauft: Auf der einen Hälfte befindet sich heute ein Hotel, das von Radisson Blu betrieben wird, auf der anderen siedelten sich Märkte und Markthallen an.

Österreich stark vertreten

Einen hohen Anteil am internationalen Geschehen nahmen auch die Präsentationen aus Österreich ein. Das verwundert nicht, da die jährlich stattfindende "Real Corp" vom Central European Institute of Technology (CEIT Alanova) in Schwechat organisiert wird. Unter rot-weiß-roter Flagge sprachen Wolfgang Streitenberger, Berater der Europäischen Kommission in Brüssel, sowie Heini Staudinger, Gründer des Waldviertler Schuhproduzenten Gea. Der eine stellte die Förderinstrumente der EU vor, der andere berichtete von konkreter Regionalförderung sowie von - das dürfte bereits hinlänglich bekannt sein - neuen und bisher ungewöhnlichen Wirtschafts- und Finanzierungsmodellen im eigenen Unternehmen.

Immobilienwirtschaftlich haben Staudinger und sein Team zumindest Schrems im Waldviertel weit nach vorn gebracht, auch wenn die Banken die Liegenschaften - den Richtlinien von Basel II entsprechend - nach Marktwert und nicht nach Substanzwert beurteilen. Und der Marktwert ist im Waldviertel zwangsläufig deutlich geringer als in der Wiener Innenstadt.

Vielleicht sind es aber genau solche Initiativen wie jene von Heini Staudinger, die langfristig lebendige Strukturen und damit auch attraktive Standorte schaffen. Ein solches Agieren ermöglicht dann auch ein Re-Agieren seitens der öffentlichen Hand.

"Don't follow the leaders"

Ausgiebig in Rom diskutiert und im Zusammenhang mit dem dort parallel stattfindenden Wahlkampf zur Bürgermeisterwahl lässt die Anleihe bei Bob Dylan im Konferenzmotto an einen seinen anderen Song denken: " Subterranean Homesick Blues". Dort heißt es treffend: "Don't follow leaders, watch the parcometres." Er empfiehlt viel mehr die unmittelbare Wahrnehmung in Städten und Regionen als eine oft in Prospekten und Präsentationen der Immobilienwirtschaft beschworene Scheinrealität. Da ist er also wieder, der menschliche Maßstab. (Andreas Schiller aus Rom, DER STANDARD, 1./2.6.2013)