Wien - Reizvoll wird ein Bedenkjahr besonders dann, wenn Opera erklingen, die nicht aus der Jubilarfeder stammen, wenn also das Umfeld des Gefeierten beleuchtet wird. Interessante Nachrichten gibt es dann vom Friedhof der Musikgeschichte - im Falle des nun gefeierten Richard Wagner solche zu der einzigen Oper von Pierre-Louis Dietsch, Vaisseau fantôme.

Sie basiert auf einem Textentwurf Wagners, der in Paris hoffte, einen Komponierauftrag für den Fliegenden Holländer zu erhaschen. Daraus wurde nichts. Am Ende musste Wagner den Entwurf aus Geldnot verkaufen (für 500 Francs), den der Kapellmeister der Grand Opera, also Dietsch, 1842 mäßig erfolgreich vertonte. Was nun im Konzerthaus im Doppelpack mit Wagners Meisterwerk zu hören war, zeigte, dass Dietsch das Unheimliche dieser düsteren Story vom verflucht-ruhelosen Seemann eher kulinarisch-brav abhandelte.

In der Version von Dirigent Marc Minkowski und den Musiciens du Louvre wird aber evident, dass Dietsch durchaus Melodieeingebungen hatte und in der Rossini-Nachfolge virtuose Vokalmomente (respektabel Sally Matthews als Minna, also Senta, und Russell Braun als Troil, also Holländer) erschuf, die dem wackeren Opus Frische verleihen.

Das Orchester vermittelte die Musik mit seiner typischen Phrasierungsverve. Es tat indes gut daran, einmal auch nachzustimmen, um Minkowskis (im Tutti-Bereich etwas schwammigen) historisch informierten Ansichten Klarheit zu verschaffen. Bei Wagners Holländer wirkte die Botschaft des Dunkel-Dämonischen dann auch noch eindringlicher umgesetzt. Auch hier flutet Minkowski an expressiven Stellen etwas gar stürmisch, um Breitwandeffekte zu erzielen. Da war aber doch manch delikates Detail zu vernehmen, während zum Schluss hin wieder - auch werkbedingt natürlich - Energieentfaltung dominierte.

Im Vokalen überzeugte der klangvolle Eric Cutler (als Georg); Respekt einflößend auch die dramatische Hingabe von Ingela Brimberg (als Senta). Profund Evgeny Nikitin (als Holländer) und sehr ausgewogen Mika Karès (als Donald) und Bernhard Richter (als Steuermann). Ein energiepraller Nachmittag/Abend, an dem Bedenkjahre für etablierte Tonsetzer Sinn ausstrahlten. (Ljubisa Tosic, DER STANDARD, 3.6.2013)