Wien – Die Dame erklärt sich für unbeschwert, da ohne Aufgabenlast: keine neue CD zu verkaufen, keine Riesentournee zu stemmen. Nur ein paar Spaßabende in Wien, mit Songs, die sie mag. "An in­timate evening with Marianne Faithfull", wobei: Auch in so einem dezenten Rahmen gäbe es dies oder jenes vorab abzuklären. Wenn schon nicht jeder Liedtext sicher sitzt, müsste sich doch jemand darum kümmern, den Notenständer lesebrillenfreundlich nahe am Mikro zu postieren.

Auch das Mikro selbst könnte die ideale Höhe einnehmen, damit die Künstlerin nicht – zu weit nach vorn gebeugt – singend leidet. Tja, die Scheinwerfer: Sie strahlen, an Marianne Faithfulls nach Luft ringender Klage ist es zu merken, wie tausend Sonnen. Und steht dann noch ein Lied aus ferner, mit den Rolling Stones privat verzahnter Zeit zur Debatte (As ­Tears Go By), ist es aus. Es nimmt die Dame Platz auf einem Stuhl, zündet sich ein Zigarettchen an, während Gitarrist Neill MacColl für sie die rettende Mineralwasserflasche öffnet. Sorry, aber diese uralten Emotionen, diese Erinnerungen. Und die Scheinwerfergriller über allem.

Spezieller Gesang

Solch kleine zigarettenverzierte Erschöpfungsszenen zwischendurch, die kleinen Unbeholfenheiten der Bühnenarbeit, sie sind bedauerlich, irgendwie aber auch ein charmanter Aspekt einer unprätentiösen Performance, die zur Gesangskunst passt. Letztere hat ja auch ihre fragilen Spezialitäten. Ob Faithfull nun Nick Cave oder Bob Dylan singt – es ist dieses heisere Raunen zugleich Markenzeichen wie auch Beleg einer gewissen Überdeftigkeit.

Bei Tom Waits' Strange Weather passt dann zwar alles, da Faithfull die delikate Ballade zurückgenommen haucht, auf subtile Emotion setzt. Wo sie ein bisschen expressiver wird, kann hingegen ein heftiges Maß an Rauheit entstehen, das Faithfull – sagen wir – klingen lässt wie Bob Dylan, würde dieser versuchen, drei Oktaven tiefer als sonst seine eigenen Songs zu dekonstruieren.

Sollten an den kommenden Abenden im Stadttheater Walfischgasse Mikro, Scheinwerfer und Notenständer endlich zu idealer Form und Position gefunden haben, wird das allerdings sicher auch zur Entspannung der – bei der Premiere – recht kurzen Liedreise selbst beitragen. (Ljubiša Tošić, DER STANDARD, 5.6.2013)