Verbreiterte Rippen als Beginn eines Körperpanzers: Eunotosaurus africanus könnte der Urahn der Schildkröten gewesen sein.

Foto: Tyler Lyson

Zürich - Schildkröten nehmen eine Sonderstellung im Tierreich ein - unter anderem wegen ihres Panzers. Fast alle gepanzerten Tiere bilden ihre Panzer durch das Einlagern von Hautknochenplatten in die Haut. Bei den Schildkröten sind dagegen umgeformte Rumpfwirbel und zusammengewachsene Rippen mit in den unbeweglichen Schutzpanzer aufgenommen. 

Darüberhinaus ist auch die Verwandtschaft der Schildkröten zu anderen Reptilien heute strittig. Manche Biologen sehen Schildkröten als einzige Vertreter einer Gruppe, die allen "anderen" Reptilien - inklusive der Vögel - gegenüberzustellen sei. Womit der Begriff "Reptilien" endgültig hinfällig wäre, da er Tiere, die verwandtschaftlich dazugehören würden (Vögel), ausschließt, dafür aber andere miteinbezieht, die vielleicht nicht dazugehören (Schildkröten).

Der noch unbekannte Weg zum Körperpanzer

Trotz unklarer Stellung in der Systematik steht fest, dass Schildkröten als Gruppe seit weit über 200 Millionen Jahren existieren. Alle bisher bekannten fossilen Formen besaßen aber bereits vollständig ausgebildete Bauch- und Rückenpanzer, wie die Universität Zürich berichtet. Einzig die 2008 in China entdeckte 220 Millionen Jahre alte Odontochelys semitestacea zeigt mit einem voll entwickelten Bauchpanzer und einem erst teilweise entfalteten Rückenschild ein früheres Entwicklungsstadium. Die evolutionäre Entwicklung eines so komplexen Körpermerkmals, wie es der Schildkrötenpanzer darstellt, ist damit noch weitgehend ungeklärt.

Ein internationales Team aus Forschern mehrerer nordamerikanischer Universitäten und der Universität Zürich präsentiert nun ein erweitertes Evolutionsmodell. Sie greifen dafür auf den seit dem 19. Jahrhundert bekannten Eunotosaurus africanus zurück. Dieser lebte vor 260 Millionen Jahren und besaß keine durchgehende Panzerung, aber ähnliche Umformungen der Rippen, wie sie auch Schildkröten haben.

Zurück zu früheren Vermutungen

Für ihre Studie untersuchten die Wissenschafter 37 teilweise unveröffentlichte fossile Eunotosaurus-africanus-Funde. Das Tier maß ohne Schwanz rund zehn Zentimeter. Es besaß neun verlängerte Rumpfwirbel, T-förmig verbreiterte Rippen und paarige Bauchrippen, sogenannte Gastralia. Aufgrund der verbreiterten Rückenrippen schließen die Forscher, dass Eunotosaurus africanus bereits eine Art Rückenschild besaß.

Eunotosaurus war schon früher als Vorfahre der Schildkröten gehandelt worden, was später wieder verworfen wurde - mit dem Argument, dass es sich auch um einen Fall von konvergenter Evolution handeln könnte. Aufgrund seiner morphologischen Merkmale stellt ihn die aktuelle Studie aber wieder in diesen Stammbaum zurück. "Eunotosaurus ist ein Übergangsfossil und schließt eine Lücke von 35 bis 50 Millionen Jahren in der Entwicklungsgeschichte der Schildkröten", ist sich der Züricher Paläontologe Torsten Scheyer sicher. (red, derStandard.at, 15.6.2013)