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Einer der ersten großen Schnorrer der Welt war Christoph Kolumbus, dessen abenteuerliches Leben bis heute die Geschichtsbücher füllt.

Foto: REUTERS/Juan Medina

Im Frühling 2012 brach der 22-jährige texanische Biologe Stephen McCullah in den Kongo auf. Unbekannte Unterstützer hatten ihm davor durch viele kleine Spenden die Reisekassa mit 22.000 Euro aufgefüllt. Freilich nicht, ohne sich zumindest eine kleine Gegenleistung zu erhoffen: McCullah glaubte fest daran, im kongolesischen Urwald auf die letzten lebenden Dinosaurier zu stoßen und seinen Gönnern davon ein nettes Naturfilmchen mitnehmen zu können. Blöderweise kam er über die Hauptstadt Kinshasa nie hinaus, weil ihm die lokalen Behörden keine Papiere ausstellen wollten für seinen Ausflug zu einer ausgestorbenen Art.

Früher hätte man zu einem wie McCullah einfach Schnorrer gesagt, ihm vielleicht sogar Kleingeld gegeben, aber bestimmt nichts dafür haben wollen. Doch spätestens seit das Web 2.0 so interaktiv geworden ist und also auch aus passiven Konsumenten lauter engagierte Mitbestimmer beim Einzahlen wurden, nennt man das Crowdfunding.

Begonnen hat's damit, dass Musik im Netz lieber gefladert als gekauft wurde. Als Reaktion darauf gründete der Produzent Brian Camelio 2003 die Plattform "ArtistShare". Auf der einen Seite gibt es Musiker, denen das nötige Kleingeld fürs erste Album fehlt - so seine Überlegung -, und auf der anderen Hörer, die vielleicht wieder bezahlen würden, wenn sie mitbestimmen könnten, was auf der Platte drauf ist. Er musste die beiden Parteien nur noch webseitig zusammenbringen.

2009 entstand dann die heute wohl bekannteste Crowdfunding-Seite: Per "Kickstarter" wurden bis dato weit über 10.000 Projekte lanciert und auch finanziert. Vor allem Dinge, von denen sich viele wünschten, sie wären längst erfunden worden, für die aber dennoch kein großer Investor aufzutreiben war. Von Anfang an ebenso auf der Liste unterstützbarer Projekte: private Reisen wie jene des texanischen Biologen oder jene einer New Yorker fleischverweigernden Vagabundin, die quer durch die USA reiste, um in beinahe jedes vegane Restaurant des Landes essen zu gehen. Knapp 10.000 Euro lukrierte sie über Kickstarter für dieses Projekt.

Wüssten wir nicht sicher, dass sich bereits Christoph Kolumbus die Entdeckung Amerikas recht mühsam zusammenschnorren musste, könnte Urlaub auf Basis von Crowdfunding glatt als etwas völlig Neues durchgehen. Längst gibt es Plattformen wie Startnext, Pling oder MySherpa, die selbstbestimmtes Reisen per Fremdfinanzierung schon als Standardfall behandeln: Eine erbettelte Trekkingtour durch Island oder eine gesponserte Radreise von Deutschland nach China lassen sich also mittlerweile durchaus aufstellen, soferne man auch bereit ist, einen Blog oder ein Videotagebuch für die Daheimgebliebenen zu führen. Selbst die geplante Hochzeitsreise darf auf diese Weise nun ein wenig mehr kosten, denn Freunde, aber auch Wildfremde können per Honeyfund-Website noch etwas zuschießen.

Finanzierungssysteme wie jenes von Tribewanted bleiben vorerst dennoch die Ausnahme: Für den monatlichen Beitrag von zwölf Euro wird man nicht nur Miteigentümer des Unternehmens und leistet eine Anzahlung auf seinen nächsten Urlaub, sondern man stimmt auch darüber ab, wo die Gesellschaft ihre Reiseziele aufbauen und wen konkret sie dabei unterstützen soll. Zum Crowdfunding-Prinzip, das hier eher einer Vereinsmitgliedschaft ähnelt, kommt also noch ein anderer Aspekt: Reisende nehmen garantiert was mit von ihrem Trip - wenn schon kein Dino-Video, dann die Gewissheit, dass es gut ist, wenn auch was dort bleibt von der gesammelten Kohle. (Sascha Aumüller, DER STANDARD, Rondo, 7.6.2013)