Der Vorschlag der ÖVP für ein neues Lehrerdienstrecht ist unfair. Gerade die Volkspartei wird nicht müde zu betonen, wie wichtig es ist, dass Österreichs Schülerinnen und Schüler Grundkompetenzen wie Lesen, Schreiben und Rechnen lernen. Diese Kompetenzen lernen sie in der Volksschule. Trotzdem sollen die Lehrer an Volksschulen und Neuen Mittelschulen nicht gleich viel verdienen wie jene am Gymnasium. Damit wird diesen Lehrern vermittelt, dass ihre Arbeit nicht gleich viel wert ist wie jene ihrer Kollegen.

Unlogisch ist die Abkehr von der Regierungslinie auch deshalb, weil die Koalition vor kurzem beschlossen hat, dass alle Lehrerinnen und Lehrer ein Masterstudium absolvieren müssen. Es ist unverständlich, dass trotz einer gleichwertigen Ausbildung der Lohn ungleich bleiben soll. Ganz abgesehen von den Kindergartenpädagoginnen und -pädagogen, die von der Regierung völlig unbeachtet bleiben, weiterhin am wenigsten verdienen werden und auch keine neue Ausbildung bekommen.

Das Vorgehen der ÖVP hat zwei Gründe: Einerseits hat die AHS-Lehrergewerkschaft viel Einfluss. Die Gymnasiallehrer hätten mit einem neuen Dienstrecht womöglich auf ihre höheren Löhne zugunsten ihrer Kollegen an Volks- und Neuen Mittelschulen verzichten müssen, deshalb war die ÖVP-dominierte Gewerkschaft dagegen.

Andererseits könnte ein neues Dienstrecht die Einführung der Gesamtschule durch die Hintertür zur Folge haben. Eine gemeinsame Ausbildung und Bezahlung aller Lehrer würde die Einführung der Gesamtschule wesentlich erleichtern. Die ÖVP ist gegen eine solche Schulform, das ist kein Geheimnis und auch ihr Recht. Deshalb den Lehrern an Volks- und Neuen Mittelschulen nicht mehr bezahlen zu wollen ist allerdings ein Fehler.

Es ist zu befürchten, dass die Regierung auch bei diesem Bildungsthema eine Scheinlösung beschließen wird. Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) will den Vorschlag prüfen. Schließlich wollen SPÖ und ÖVP so kurz vor der Wahl zeigen, dass sie arbeiten. Das Bildungssystem bleibt dabei weiter auf der Strecke. (Lisa Aigner, derStandard.at, 6.6.2013)