Wien - Die äthiopische Frauenrechtsaktivistin Bogaletch Gebre erhält den Bruno-Kreisky-Menschenrechtspreis für ihre Arbeit gegen die Genitalbeschneidung in ihrem Heimatland. Durch ihren Einsatz und die Arbeit ihrer Gruppe "Kembatti Mentti Gezzimma" (KMG) konnte die Zahl der neu beschnittenen Mädchen laut einer Studie des UNO-Kinderhilfswerk UNICEF aus dem Jahr 2008 beinahe auf null gesenkt werden. Montagabend fand die Preisverleihung in Wien statt.

Männer und Frauen in Diskussionsprozesse eingebunden

KMG wurde 1997 von Bogaletch Gebre und ihrer Schwester Fikrte gegründet. Die Arbeit gegen FGM nahm die Gruppe im Jahr 2000 auf. Ihr Ansatz ist Bewusstseins- und Aufklärungsarbeit in den jeweiligen Dörfern und Städten. Wichtig sei bei der Arbeit, dass sowohl Männer als auch Frauen jeglichen Alters in den Prozess eingebunden werden. "Zusätzlich dazu hatten wir bei den Gesprächsrunden auch zwei Personen dabei, die grundlegende Fakten zum Thema lieferten. Etwa, dass weder in der Bibel noch im Koran etwas über Genitalbeschneidung steht, welche Risiken die Beschneidung für Mädchen birgt und dass schon viele daran gestorben sind." In Äthiopien umfasste die Umschneidung traditionell das Wegschneiden der Klitoris sowie der inneren und der äußeren Schamlippen.

"Wir haben einen wochenlangen Diskussionsprozess bei den Gruppen zugelassen, bis sie selbst zu dem Ergebnis kamen, dass man diese Praxis beenden müsse", erklärte Gebre. Laut Gebre sei Genitalbeschneidung weder eine äthiopische noch afrikanische Tradition. "Ich weiß nicht, woher das Phänomen kommt", sagte sie. Auf der Hand liege, dass es dazu diene, in einem patriarchalen System Frauen zu kontrollieren und gefügig zu machen, und sie ihrer sexuellen Lust zu berauben.

Demonstrative Hochzeit

Bereits zwei Jahre nach Aufnahme der Tätigkeiten der Organisation konnte der erste große Erfolg verbucht werden: Ein junges Paar entschloss sich zu heiraten. "Sie war unbeschnitten und die beiden feierten ihre Hochzeit in aller Öffentlichkeit", schilderte Gebre erfreut. "Insgesamt waren 3.000 Gäste gekommen und die religiösen Führer segneten die Ehe vor den Augen aller ab." Daraufhin sei eine Art Wettbewerb in der Nachbarschaft entstanden: "Plötzlich wollte jeder eine unbeschnittene Frau heiraten", so die Preisträgerin.

"Ich weiß nicht, ob ich den Kampf gewonnen habe. Wir verbuchen Erfolge in den Gemeinschaften", sagte Gebre. "Aber es gibt zusätzlich zur Beschneidung zahlreiche Bereiche, in denen die Rechte der Frauen verletzt werden." Die Arbeit sei erst getan, wenn Frauen die gleichen Rechte und Freiheiten sowie den gleichen Wert wie Männer besitzen würden. "Ich hoffe, dass Gewalt gegen Frauen im Namen der Tradition eines Tages aufhört", sagte Gebre. Jede menschenrechtsverletzende Kultur sei ein System, dass im 21. Jahrhundert nicht mehr akzeptiert werden dürfe. (APA, 10.6.2013)