Die Einführung der Gesetzesbeschwerde ist in Justizkreisen weiter umstritten - auch wenn sie am Dienstag vergangener Woche vom Verfassungsausschuss beschlossen und am Donnerstag im Nationalrat abgesegnet werden soll. Die Standesvertretung der Richter und die Rechtsanwälte wandten sich am Montag strikt gegen einen "Schnellschuss" in einer so wichtigen Materie und kritisierten, dass die geplante neue Variante keiner Begutachtung unterzogen wurde. Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) hofft, dass die Verfahrensverzögerung so gering wie möglich ausfällt.

Denn im Parlament wird noch über Details zur Gesetzesbeschwerde verhandelt, auch, um die Opposition geschlossen an Bord zu bekommen. Im Ausschuss hat nur die FPÖ - die den nun beschlossenen Kompromissvorschlag vorgelegt hat - mit SPÖ und ÖVP gestimmt.

Aber das Gesetz steht jedenfalls auf der Tagesordnung für die Donnerstag-Sitzung des Nationalrates. Dies missfällt dem Präsidenten der Richtervereinigung Werner Zinkl und dem Justiz-Gewerkschaftschef Klaus Schröder ebenso wie dem Rechtsanwälte-Präsidenten Rupert Wolff.

Warnung vor Kostenexplosion

Zinkl und Schröder appellierten am Montag an das Parlament, "diese Verfassungsänderung neu zu planen ... und nicht im Hinblick auf das bevorstehende Ende der Legislaturperiode einen unüberlegten Schnellschuss" zu machen. Sie kritisierten, dass das Begutachtungsverfahren zur jetzt vorliegenden Variante "einem kurzfristigen politischen Scheinerfolg geopfert" worden sei. Und sie warnten, dass auch diese "massive Verfahrensverzögerungen und eine Kostenexplosion für die Bürger" brächte.

Die Anwaltschaft würde es zwar begrüßen, wenn die Möglichkeit für Bürger verbessert wird, gesetzliche Bestimmungen auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu überprüfen. Aber auch ÖRAK-Präsident Wolff meint, "dass man eine so wichtige Änderung der Rechts- und Verfassungsordnung nicht in Eile durchdrücken darf, nur weil Wahlen vor der Tür stehen". Eine so schwerwiegende Neuerung hätte mit allen Beteiligten und Experten breit diskutiert werden müssen. Stattdessen hätten z.B. die Anwälte die nun zum Beschluss stehende Fassung erst am Donnerstag vorige Woche bekommen - und von angeblichen weiteren Änderungen überhaupt nur informell erfahren.

Kompromissvariante

Dass nun eine geänderte Fassung vorliegt, begrüßt Justizministerin Karl. Für sie ist es laut ihrem Sprecher Christian Wigand "zentral", dass die ursprüngliche Gesetzesbeschwerde nicht kommt. Denn diese habe Karl abgelehnt, weil sie zu massiven Verfahrensverzögerungen geführt hätte. Auch die Kompromissvariante werde noch "gewisse Verzögerungen" der Straf- und Zivilverfahren bedeuten. Ziel der noch laufenden Verhandlungen ist deshalb für Karl, diese so gering wie möglich zu halten.

Die Gesetzesbeschwerde wird es Bürgern (ab 2015) ermöglichen, sich direkt an den Verfassungsgerichtshof (VfGH) zu wenden, wenn sie meinen, in einem Straf- oder Zivilverfahren wegen einer verfassungswidrigen Bestimmung verurteilt worden zu sein. Ursprünglich hätten sie dazu erst alle Rechtsschutzinstanzen durchlaufen müssen - sich also erst nach Vorliegen des OGH-Urteils an den VfGH wenden dürfen. In der nun vor dem Beschluss stehenden Fassung ist vorgesehen, dass der Antrag beim VfGH bereits nach dem Urteil erster Instanz zu erfolgen hat. Der VfGH soll dann vier Monate Zeit haben, um zu entscheiden. (APA, 10. Juni 2013)