Eine Familienchronik (Es geht uns gut) sowie einen Roman über den Zustand einer in die Jahre gekommenen Ehe - größtenteils aus weiblicher Sicht - hat etwa Arno Geiger veröffentlicht. Bei den bisher bekannten Familiensagas vermisste Sabine Scholl aber immer eine präzise Schilderung weiblicher Arbeit für die Familien. Zur Abhilfe hat die Grieskirchnerin jetzt einen neuen - ihren vierten - Roman "Wir sind die Früchte des Zorns" (Secession-Verlag) geschrieben, in dem sie die Themen "Mutter, Familie, Frauenkörper und Frauenleid" in emanzipatorischer Absicht und Tradition aufarbeitet. In Form einer Erinnerung an vier Generationen, die mit den Großmüttern Hanna und Martha beginnt.

Beide kommen aus so einfachen Verhältnissen, dass sie nicht nur den Hunger kennen, sondern selbst mit harter Hand und Pracker züchtigen. Schwiegermutter Odette stammt aus einer französischen Industriellenfamilie, im Kindheitsort der Ich-Erzählerin, einem Sommerhaus auf dem österreichischen Land, sorgt sie für großbürgerliches Flair. Auch ihre Tochter macht mit einem Aristokraten eine angeblich gute Partie, glücklich wird sie dennoch nicht. Als Odette in Frankreich im Sterben liegt, ist die Erzählerin in Chicago gerade schwanger. Zudem spielt diese Suche nach weiblicher Identität noch in Wien, New York und Berlin - allesamt Orte, an denen die Autorin auch schon wohnte. Als rein biografischen Text will sie Wir sind die Früchte des Zorns dennoch nicht verstanden wissen, vielmehr als "autofiktional": das Erzähl-Ich spaltet sich immer wieder in diverse Rollen auf. Scholl hat das feministische Gegenstück zu herkömmlichen Familiensagas in 50 kleine Episoden aufgeteilt, die nicht chronologisch erzählt werden. Stattdessen wechselt sie zwischen den Personen und Ebenen, um gesellschaftliche Strukturen und Konventionen aufzuzeigen. Lesung der Autorin. (dog, DER STANDARD, 11.6.2013)