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Der scheidende Festwochenintendant Luc Bondy streut dem Wiener Publikum Rosen. Mit Humor und Ironie kommentiert er sein Verhältnis zu den Medien.

Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

STANDARD:  Mit welchen Gefühlen verlassen Sie nach 16 Jahren Wien?

Luc Bondy: Ich hatte eine schöne Zeit, Wien ist eine Heimat geworden. Ich werde  vieles sicher bedauern, denn man bedauert wahrscheinlich Dinge immer erst, wenn sie vorbei sind. Wobei: Bedauern ist das falsche Wort. Sehnsucht wäre richtiger.

STANDARD: Sehnsucht wonach?

Bondy: Wien ist eine  einzigartige Stadt, die in den letzten Jahren vielleicht noch urbaner geworden ist. Für Kunst sicher ein guter Platz.  Natürlich gibt es immer Diskussionen ums Geld. Aber noch ist die  finanzielle Ausstattung der Wiener Festwochen ist in Ordnung. In anderen Ländern in Europa, in Italien, Spanien und Frankreich, wird  heftig gespart, sogar im Gesundheitswesen. Aber man sollte Kunst und Krankenhäuser deswegen nicht gegeneinander ausspielen. Ich bin sicher, dass das Unnötigste für die Kultur das Nötigste für die Menschen ist. Man spürt, wie eifrig die Theater- und Festwochen-Zuschauer dabei sind. Man sollte  also bitte nicht die wenigen Kürzungen hier mit denjenigen von Paris vergleichen. Ich will nicht erzählen, was mir alles in Frankreich im Theater gestrichen worden ist.

STANDARD: Wie steuern Sie dagegen?

Bondy: Ich habe einen Sponsoren-Freundeskreis gegründet, mit dem treffe ich mich 4-5 Mal im Jahr anlässlich einer Aufführung und um Ihnen jeweils über die Stücke und Projekte etwas zu erzählen.  Auf der anderen Seite muss ich mit verschiedenen Koproduktionen leben. Mehr als zwei große neue Eigenproduktionen schaffe  ich nicht. Demgegenüber befindet sich Wien in einer ganz besonderen und luxuriösen Lage. Zum Programm-Machen geht es gar nicht besser.

STANDARD: Da ist  Ihre Schauspielchefin Stefanie Carp anderer Meinung, in einem „Profil"-Interview hat sie über die Arbeitsbedingungen, mangelnde Unterstützung geklagt. Und es klang, als seien Sie bestenfalls ein Frühstücksdirektor.

Bondy: Dann habe ich aber lang und ausgiebig gefrühstückt. Ich habe vieles angeregt. Im Unterschied zu den beiden Damen des Interviews glaube ich nicht, dass Stefanie Carp sich hier in einer gezwungenen und schlechten Lage befand.

STANDARD: Kränken oder ärgern Sie diese Misstöne zum Abschied?

Bondy: Nein. Aber was ich nicht verstehe, ist der Konkurrenzkampf: Warum ist er der Erste und ich nur die Zweite? Aber dann, das sage ich ganz ehrlich, darf man diesen Job nicht machen. Ich war überrascht, wie sie sich von einer (immer) voreingenommenen Journalistin hat instrumentalisieren lassen.  Vielleicht fehlt der brillanten Schauspieldirektorin der Wiener Festwochen im Unterschied zu ihrer eleganten Vorgängerin Marie Zimmermann das, was man Wirklichkeitssinn nennt.

STANDARD: Sie haben sich allerdings in einem „Spiegel"-Interview auch kritisch über Wien geäußert.

Bondy: Zeigen Sie mir bitte die Stelle. Auf die Frage, ob es in Wien Antisemitismus gäbe, habe ich geantwortet, nicht mehr wie überall. Allerdings muss man sagen, es gab während der Zeit meiner Vertragsverlängerung diesbezüglich seitens der Zeitung  Die Presse  intern eindeutige Bemerkungen und der Herr weiß es auch.

Etwas Einzigartiges in Wien, das sind sehr oft die Medien.Ihre Zeitung hat mich als Regisseur oft stiefmütterlich behandelt, Profil die ganze Zeit bösartig. Andererseits lässt mich die warme Zustimmung des Wiener Publikums, der Künstler und vieler Menschen in Wien das alles wieder vergessen.

STANDARD: Waren Sie als Regisseur  neidig oder eifersüchtig auf Kollegen, die Sie als Intendant eingeladen haben?

Bondy: Ja, man ist eifersüchtig! Ich hatte immer wieder Eifersuchtsanfälle, aber ich habe sie gezähmt. Letztlich ist man schizophren und freut sich, dass der andere Erfolg hat. Bei Christoph Marthaler beispielsweise würde ich nicht sagen, dass ich eifersüchtig bin, denn Marthaler ist Marthaler. Er ist nicht nachahmbar, auch wenn viele jüngere Regisseure es versuchen. Er ist ein Poet auf seine Weise. Da kann man froh sein. Es großartig finden. Sich langweilen. Aber es ist immer Marthaler.

STANDARD: Vor allem das Musiktheater ist nicht in bester Erinnerung. Was halten Sie der Kritik entgegen?

Bondy: Wiener Kritik halt: voreingenommen. Sie tun so, als hätte es nicht Deborah Warner mit Dido and  Aeneaa,, Patrice Chereau mit Totenhaus und Cosí fan tutte, Frank Castorf mit Jakob Lenz oder Turn of the Screw  in meiner Regie und nun Katie Mitchells Inszenierung der George Benjamin-Oper Written on Skin gegeben. Rigoletto war vielleicht nicht die beste Inszenierung – aber das liegt am Chef selber (lacht). Aber alles in allem hat es  tolle Aufführungen gegeben, man wird das schon noch spüren. Was man aber sagen muss: So wie die Festspiele strukturell sind, ist es schwierig, zu produzieren. Es gab ja eine Tradition der Wiener Festwochen mit dem Theater an der Wien. Doch der, Intendant des Theater an der Wien, Roland Geyer, hat uns die vereinbarte Verdi-Zusammenarbeit abgesagt und wir  müssen fürs Theater an der Wien am Tag 25.000 Euro Miete zahlen. Das ist schade, denn Wien ist eine Musikstadt. Il Trovatore in der Regie von Philipp Stölzl war eine kraftvolle Produktion, warum wird sie nicht in Wien nachgespielt sondern nur in Berlin.

STANDARD: Sie selbst  haben heuer so unterschiedliche Inszenierungen wie Harold Pinters „Le Retour/Die Heimkehr" und Molières "Tartuffe"  beigesteuert -  beide von der Kritik durchwachsen besprochen.

Bondy:  Was heißt durchwachsen? In dieser Stadt sowieso. Le Monde, die Frankfurter Allgemeine Zeitung und Die Zeit waren wunderbar. Dann wurden für die beiden Aufführungen 10.000 Karten verkauft. Tartuffe hat wie eine Bombe eingeschlagen. Natürlich kann man sagen: Das ist Theater von gestern. ich weiß nur nicht genau, wie das aussieht.

STANDARD: Was hat Sie denn speziell an Pinter fasziniert, der in diesem Stück doch ein sehr absurdes, anti-emanzipatorisches Frauenbild transportiert?

Bondy: Sie haben recht, es ist ein seltsames Stück. Ich habe einen wütenden Brief von Nancy Huston, einer Women's Lib-Aktivistin, bekommen. Aber ich inszeniere ein Stück, um Diskussionen auszulösen und nicht, um eindeutige Aussagen zu treffen. Außerdem ist es kein frauenfeindliches Stück. Dazu hat sich der Autor selber eindeutig geäußert.

STANDARD: Beide - Tartuffe und  Heimkehr – sind mit großartigen Schauspielern besetzt. Inszeniert es sich da von selber?

Bondy: Diese Diskussion heute im Jahr 2013 scheint mir naiv. Sie wissen doch, dass ein guter Regisseur wie ein guter Dirigent bei seinem Ensemble sowohl den Stil wie den Rhythmus prägt. Die Arbeit am Schauspieler wird von den Journalisten absolut verkleinert.Da tummeln sich dann naseweise, ungebildete und unprofessionelle Journalisten auf einer Premierenfeier, um danach Verrisse zu schreiben. Bitte schildern Sie, dass ich Ihnen das lachend erzähle und nicht vergrämt.

STANDARD: Spielt beim Inszenieren die eigene Biographie eine Rolle?

Bondy: Natürlich nicht vordergründig. Ich komme aus einer jüdisch-atheistischen Familie, aber ich wurde in einem calvinistischen Internat in Südfrankreich erzogen. Diese Regeln, am Tisch zu sein und alles zu diskutieren, auch die Strenge, die habe ich im Tartuffe wiedergefunden. Auch als ich die Salome machte, endete es am Küchentisch. Ich glaube, die großen, tragischen Familienkonflikte – eigentlich alle Konflikte –  werden am Küchentisch verarbeitet.

STANDARD: Was sind Ihre nächsten Projekte?

Bondy: Am Odeon in Paris plane ich einen Marivaux, vorher bei Claus Peymann in Berlin Ödön von Horvaths Don Juan kommt aus dem Krieg. Ich kann gut parallel in zwei Sprachen arbeiten. Also nicht, dass ich parallel inszeniere. Aber wenn ich französisch arbeite, denkt eine Hirnhälfte   französisch, die andere deutsch. Für Tartuffe haben Peter Stephan Jungk und ich drei Monate jeden Tag geschrieben, da war ich gerade mit der Inszenierung von Heimkehr fertig. Ich halte, wie Sie sehen, nichts von schöpferischen Pausen, da kommen nur schlechte Ausdünstungen. Man heilt Arbeit durch die Arbeit.

STANDARD: Nun haben wir aber immer noch nicht geklärt, was Ihre Arbeit als Intendant ausgemacht hat. Kurze Job-Discription?

Bondy: Für eine spezielle Form von Theater, Cross-Over-Theater, habe ich Stefanie Carp als Schauspieldirektorin und für das Musiktheater Stéphane Lissner engagiert. Mit Veronica Kaup-Hasler habe ich Schlingensief gemacht, mit Marie Zimmermann Peter Zadek, Simon McBurney. Frau Carp konnte wunderbar in dieser Kontinuität arbeiten. Ariane Mnouchkine und Robert Lepage waren große Festwochen-Künstler noch vor meiner Zeit und wussten Sie, dass Peter Sellars unter Pasterks Zeit entdeckt worden war. Wenn Sie mich nach meinem Job fragen, dann glaube ich auch, dass ich viele meiner Wünsche dirigieren konnte (Eigenlob stinkt). Im Unterschied zu einigen bin ich überzeugt, dass die Durchschlagskraft der Wiener Festwochen die Vielfalt ist, auch die Vielfalt der Stile.

STANDARD: Zum Abschied ein nettes Wort zu Ihrem Nachfolger?

Bondy: Tja. Ich hoffe, die Wiener Festwochen erweisen sich als ein gutes Trampolin für die Salzburger Festspiele. (Andrea Schurian, DER STANDARD, 18.6.2013, Langversion)