Der türkische Premier Tayyip Erdogan und seine Regierung sind offenbar entschlossen, die Protestbewegung im Land mit Gewalt niederzuhalten. Erdogans Massenkundgebungen in Ankara und Istanbul haben gezeigt: Die Anhänger der konservativ-religiösen AKP glauben die kruden Verschwörungstheorien ihres Premiers, der ihnen erklärt, wie es zu einer Parkbesetzung und zu seit Wochen dauernden Demonstrationen in den Großstädten kommen konnte: das neidische Ausland, die heuchlerischen Europäer, die Lügenpresse aus dem Westen, die Börse, die Terroristen, die treulosen türkischen Unternehmer, die gegen die Regierung arbeiten.

Macht also knapp 50 Prozent der türkischen Wähler, die sich mit dem Premier einig sind - so hofft die Regierung in Ankara. Dem Rest lässt sich die Wahrheit schon beibringen. Diese Rechnung wird vermutlich aber nicht aufgehen.

Solidarität und das Bedürfnis nach Harmonie sind in der türkischen Gesellschaft allen politischen Spaltungen zum Trotz sehr ausgeprägt. Junge Leute, die mit Wasserwerfern über die Straße gespült werden, und TV-Sender, die nicht mehr die Realität zeigen, findet kaum jemand gut im Land. Erdogans Politik der harten Hand zahlt sich nicht aus: Um elf Prozent soll die Unterstützung für die AKP im Vergleich zum Vorjahresmonat zurückgegangen sein, so ergab die Umfrage eines renommierten türkischen Instituts. 54,4 Prozent der Türken fühlen sich von Erdogan bevormundet. (Markus Bernath, DER STANDARD, 18.6.2013)