Damit hätte Präsidentin Dilma Rousseff wohl am wenigsten gerechnet. Explodierende Baukosten, meckernde Fifa-Funktionäre und Sicherheitsprobleme – all das war einkalkuliert für die Fußball-WM und die Olympiade. Dass aber plötzlich die Bevölkerung nicht mehr mitspielt und statt Party nun Protest herrscht, passt so gar nicht zu dem Bild, das Brasilien von sich selbst hat.

Doch der Cocktail braut sich schon länger zusammen. In den vergangenen Jahren haben sich Rousseff und ihr Amtsvorgänger Luiz Inácio "Lula" da Silva zwar im Kampf gegen die Armut verdient gemacht. Doch gleichzeitig blieben andere wichtige Reformen aus: Das staatliche Gesundheits- und Bildungssystem liegt darnieder, Politiker, Militärs und Richter gehören noch immer zu den Privilegierten, die Wirtschaft verschafft Unternehmern und Bankern Rekordgewinne, während Konsumenten für minderwertige Waren irrsinnige Preise zahlen müssen. Das Gewaltniveau ist hoch, die Infrastruktur miserabel – und das trotz sehr hoher Steuern im Vergleich zum Rest Lateinamerikas.

Nun scheint das passiert zu sein, was Ökonomen schon länger vorhersagen: Brasiliens Erfolgsmodell ist an seine Grenzen geraten. Seit einigen Monaten stagniert die Wirtschaft, die Inflation steigt, und die neue Mittelschicht muckt auf. Rousseff erbt nun die Versäumnisse Lulas und wird ihr ganzes politisches Geschick aufbringen müssen, um diesen explosiven Cocktail zu entschärfen. (Sandra Weiss, 20.6.2013)