Das Almtal bleibt auch nach Konrad Lorenz für Verhaltensforscher interessant: Verhalten ist man dort vor allem mit der touristischen Überinszenierung.

Foto: OÖ. Tourismus Marketing / Popp

Da liegt sie nun auf dem Teller, die "launische Forelle". Knusprig gebraten und mit Mandelsplittern als künstliche Schuppen. Vor den Tischen im Gastgarten murmelt das "Bächlein helle", die Steyrling. Franz Schubert und sein Forellenquintett lassen grüßen - und das nicht von ungefähr.

Just hier in diesen Tälern am Rande des Toten Gebirges in Oberösterreich war es, wo Franz Schubert anno 1819 auf ausgedehnten Wanderungen mit seinem Freund, dem Opernsänger Johann Laurentius Vogl, zu seiner musikalischen Fischbetrachtung animiert wurde. Auf Bitten des Freundes Silvester Paumgartner, bei dem er damals in Steyr wohnte, setzte Schubert die Inspiration dann in die berühmt gewordene Melodie um.

Während das Forellenquintett die Erinnerung an des Liederfürsten Ausflüge bis heute aufrechterhält, kam es mehr als 70 Jahre später zu einem anderen Besuch in der Region: Am 4. Juli 1883 wanderte Kaiserin Sisi in einem, wie es heißt, nur fünfstündigen Fußmarsch vom Almsee über das Gebirge in das kleine Dorf Steyrling am gleichnamigen Gebirgsbach. Wie beeindruckend! Es war dies allerdings eine Zeit, in der - wie es Kollege Kaiser Wilhelm I. formulierte - die "Jewaltmärsche" einer Kaiserin Hofdamen und Begleiter noch in helle Aufruhr versetzten. Die Tour bedeutete einen steilen Aufstieg vom Großen Almsee im hintersten Almtal bei Grünau auf die Höh und dann einen nicht weniger steilen Abstieg bis in das lang gezogene Tal zum Schaumburg-Lippischen Forsthaus Bernerau.

Würdig still im Toten Gebirge

Auch wenn sie heute als Teil eines Fernwanderwegs ausgebaut ist, bleibt diese Route zwischen dem Almsee und Steyrling anstrengend. So sind auch die Täler von Alm und Steyrling über weite Strecken merkwürdig still geblieben. Sie wirken noch immer so, als hätten sie Scheu, entdeckt zu werden. Auf dass nicht laute Betriebsamkeit Histörchen zum Souvenirkitsch degradiere und des "muntren Fischleins Bade im kühlen Bächlein" stören möge.

Noch sucht man auf den Speisekarten der lokalen Gasthäuser die "Forelle Franz" oder das "gebackene Forellenquintett" vergeblich. Zum Glück. Bezeichnenderweise ist auch noch kein Tourismusmanager der Region Pyhrn-Priel auf den Gedanken gekommen, den Hatscher durchs Tote Gebirge "Sisi-Trampelpfad" zu nennen. Dabei hatte der Kremstaler Bote 1883 doch eigentlich vermerkt, dass es nach diesem hohen Besuch für die Sektionen Kirchdorf und Windischgarsten des Touristen-Klubs angezeigt wäre, die Wege mit angemessenen Bezeichnungen auszuschildern.

Sommerfrische ohne Sisi

Gelegen an einem völlig naturbelassenen, aus den Schluchten des Toten Gebirges kommenden Fluss - der Alm - ist Grünau eine sisifreie Sommerfrische im besten Sinn des Wortes. Es ist kein Dorf, das erst durch eine ungelenke Inszenierung "etwas geworden ist". Die alten Häuser des Orts zeigen einfach ihren herben Charme einer traditionellen und doch namenlosen Bauweise. Aber zu sagen, der Name Grünau sei kaum über die Grenzen hinaus bekannt, wäre falsch. Es gibt hier etwas, das weltbekannt ist.

Der Verhaltensforscher und Nobelpreisträger Konrad Lorenz hat sich 1973 im Almtal mit seinen Graugänsen niedergelassen und hier bis zu seinem Tod gelebt. Die Forschungsstation, die seinen Namen trägt, kann noch immer - jeden Dienstag - besichtigt werden. Es begrüßen eine stattliche Schar schnatternder Gänse, die sich frei im Tal bewegt, und mit etwas Glück auch die geheimnisvollsten Vögel des Tales: die Waldrappen. Die in Mitteleuropa praktisch ausgestorbenen Großvögel sollen im Rahmen eines EU-Projekts auf ein neues Leben irgendwo in der Freiheit vorbereitet werden. Doch sie werden wohl im Almtal bleiben wollen, denn ihr langer gebogener Schnabel eignet sich ideal für die Jagd auf Schuberts Forellen. (Christoph Wendt, DER STANDARD, Album, 22.6.2013)