"Stauraum hat immer jeder zu wenig", sagt Sandra Häuplik-Meusburger. Das gilt im Weltall wie auf der Erde - auch hier im Zahntechnik- labor ihres Mannes, das sie konzipiert hat.

Foto: STANDARD/Christian Fischer

Nach den Sternen greifen: "Moonwalker" von Sandra Häuplik-Meusburger ist eine modulare Mondbasis, die sich den Bedürfnissen der jeweiligen Nutzer anpasst.

Illustration: Häuplik-Meusburger

Sandra Häuplik-Meusburger ist eine, die einfach ganz spontan Ja sagt. Egal, ob es darum geht, auf Radio Orange eine Sendung zu machen, die sich davon handelt, wie wir in Zukunft leben. Oder mit ihrem drei Wochen alten Sohn Kaspar Sirius auf dem Arm Waltentina Tereschkowa, die erste Frau im All, zu interviewen. Offiziell für ein Jahr in Karenz, hält es die umtriebige Weltraumarchitektin nicht lange zu Hause: Regelmäßig ist sie an der TU Wien und in ihrem Büro zu finden, und wälzt Pläne und neue Ideen.

Beim Treffen in einem Eissalon in Wien, anlässlich ihrer Wahl zur 100. Femtech-Expertin des Monats (siehe Wissen), ist der kleine Kaspar dabei. " Ein Kind zu bekommen, sollte sich niemand entgehen lassen – trotz Karriere", sagt die 40-Jährige mit dem roten Wuschelkopf. "Meinem Mann und mir würde jetzt etwas Entscheidendes fehlen."

Sandra Häuplik-Meusburger wurde 1973 in Mödling geboren, als Tochter einer Friseurin und eines Schlossers und Älteste von fünf Geschwistern. " Ich war die Allererste in meiner Familie, die eine Matura gemacht hat", erzählt sie, "weil mein Opa beim Finanzamt gearbeitet hat, bin ich auf eine Handelsakademie gegangen."

Nach einem Au-pair-Jahr in London begann sie in einer Privatbank in Wien. "Das ist mir aber bald schlicht zu fad geworden. Ich habe sehr gut verdient, aber Geld war nie ein Grund für mich, etwas zu tun." Also begann sie an der TU Wien Architektur zu studieren – weil sie die Wechselwirkung zwischen Mensch und Raum interessierte. "Wenn man eine Kirche betritt, verhält man sich automatisch leiser. Lange, gerade Wege regen dazu an, schneller zu gehen. Das ist faszinierend."

Wie stark der Mensch von seiner räumlichen Umgebung abhängt, zeigt sich nirgends so gravierend wie im Weltall. Im Gegensatz zu den unendlichen Weiten des Universums herrscht in den Behausungen massive Platznot: "Im All ist alles zu eng, zu klein, zu schwierig." Schon zu Beginn ihres Studiums stieß Häuplik-Meusburger auf das wenig beackerte Feld der Weltraumarchitektur. Dann habe eines das andere ergeben: ein Schwerpunkt " Entwerfen im Weltall" auf der Uni, ein Stipendium für die Alpbach Summer School zum Thema Weltall, die internationale "Moon Mars Working Group", deren Mitglied sie wurde.

Planen für das Unbekannte

Seither ist sie in Bann gezogen von der Herausforderung, selbst unter extremsten Bedingungen ein menschenfreundliches Umfeld zu kreieren. Dabei gilt immer: "Das Design muss sich an den Menschen anpassen und nicht umgekehrt." Doch auch das ist nicht immer leicht bei den vielen Unbekannten, die sich daraus ergeben, dass eine Realisierung von Habitaten im All noch in einiger Ferne schwebt. "Man plant für Menschen, die man nicht kennt: Man weiß weder, wie alt sie sind, noch, was genau sie dort machen."

2005 entwarf sie für ihre Diplomarbeit eine universell einsetzbare, mit austauschbaren Elementen ausgestattete Mondbasis namens "Moonwalker". Seither unterrichte sie auch am Institut für Architektur und Entwerfen der TU Wien. 2006 gründete sie ihr eigenes Büro "Space-Craft Architektur" . Daneben studierte sie an der Angewandten beim Gastprofessor und Theaterregisseur Peter Sellars, der 2006 für das Mozartjahr engagiert war. Fokus waren diesmal die extremen Bedingungen, unter denen Obdachlose und Asylwerber leben.

Die Dissertation verfasste sie bei Richard Horden, der an der TU München einen Lehrstuhl für Mikroarchitektur innehatte. Das daraus entstandene Buch Architecture for Astronauts (Springer 2011) bietet einen umfassenden Überblick über sieben Raumstationen und ihre Alltagstauglichkeit beim Schlafen, Essen, Arbeiten, Waschen und in der Freizeit – von den Apollo-Raumschiffen samt Mondmodul bis hin zur Internationalen Raumstation ISS.

"In der Mir-Station wurde der Esstisch neben das Laufband gestellt. Das empfanden viele Kosmonauten als unangenehm", gibt Häuplik-Meusburger ein Beispiel für zu wenig durchdachte Interieurs. "Dafür gab es private Schlafräume mit eigenem Fenster. Diesen Luxus gibt es auf der ISS nicht mehr." Während der Recherchen hatte sich auch herausgestellt, dass Bewohner der sowjetischen Raumstation Saljut zu den Pflanzen im stationseigenen Glashaus eine Beziehung wie zu einem Haustier entwickelten. Daraus entstand die Idee, Minigewächshäuser für Raumfahrer zu entwerfen – nicht nur als Nahrungsquellen, sondern auch für die Psychohygiene für künftige Missionen zu fernen Planeten.

Zuletzt baute sie gemeinsam mit Kollegen und Studenten einen Prototyp für eine faltbare Notfallunterkunft auf dem Mars, der Anfang des Jahres bei einer Marssimulation in der Sahara erprobt wurde. "Die Studenten haben ganz andere Ideen und Zukunftsvisionen", sagt die Weltraumarchitektin. Ihre persönliche Vision wäre der Bau einer ausgeklügelten Forschungsstation im All. "Ein zukünftiges Raumlabor müsste sehr funktionell, klar strukturiert und gleichzeitig anpassungsfähig, für mehrere Nutzungen geeignet sein und eine gute Arbeitsatmosphäre bieten."

Vom All zur Erde und zurück

Für sie führt letztlich jedes Ausstrecken der Menschheit hinaus ins All wieder zurück zur Erde: "Wir können daraus lernen, woher wir kommen." Und auch die architektonischen Anforderungen auf kleinsten Raum lassen sich auf die Erde umlegen. "Stauraum hat immer jeder zu wenig. Das wird fast immer vernachlässigt bei der Planung." Sie selbst hat die Konzepte fürs All auch auf der Erde umgesetzt, etwa im Zahntechniklabor ihres Mannes, das sie neu konzipiert hat.

Trotz weitschweifender Träume bleibt Sandra Häuplik-Meusberger auch einmal gerne auf dem Boden: "Ich muss neben der Forschung auch immer wieder etwas Echtes bauen, worin der Mensch eine Rolle spielt. Nur theoretisch zu arbeiten ist nicht so befriedigend." Derzeit analysiert sie Lebens- und Arbeitsbedingungen in extremen irdischen Umgebungen wie in der Arktis, um daraus Schlüsse für ein künftiges Leben im All zu ziehen.

Aber auch hin und wieder abzutauchen muss sein: Seit 20 Jahren ist sie Taucherin – was auch ein Gefühl der Schwerelosigkeit mit sich bringt. Und vor allem Entspannung: "Unter Wasser schaltet sich das Denken aus. Das liebe ich." Das Raum- und Zeitreisen kann ja in Zukunft ihr Sohn übernehmen – immerhin bezeichnet sein zweiter Name Sirius den hellsten Stern am Himmel. (Karin Krichmayr, DER STANDARD, 26.6.2013)

Wissen: Forscherinnen im Fokus

Mehr als 1500 Fachfrauen aus 100 Gebieten haben sich bereits in die Femtech-Expertinnendatenbank eingetragen – und zeigen damit, dass viele Frauen in Österreich erfolgreich in der technologieorientierten Forschung tätig sind. Seit 2005 nominiert die Ögut (Österreichische Gesellschaft für Umwelt und Technik) aus der Datenbank eine "Expertin des Monats", die Auswahl erfolgt durch eine interdisziplinär besetzte Jury. Im Juni wurde die 100. Femtech-Expertin gewählt.

Das Programm Femtech wird vom Infrastrukturministerium finanziert, abgewickelt wird es über den Schwerpunkt "Talente" der Forschungsförderungsgesellschaft FFG. Ziel ist es, Frauen in Forschung und Technologie sichtbarer zu machen, miteinander zu vernetzen und karrieretechnisch zu unterstützen. (red)