Turnusärztinnen und -ärzte klagen über schlechte Ausbildung in den Spitälern. Sie gehen in die Großstadt oder ins Ausland.

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Salzburg/Bregenz/Linz - Schlechte Arbeitsbedingungen in Spitälern - Zeitdruck, lange Arbeitszeiten, schlechte Bezahlung - betreffen junge Ärzte ganz besonders. Eine aktuelle Ifes-Studie zeigt, dass unter der Belastung mit administrativen Tätigkeiten und langen Dienstzeiten vor allem Turnusärzte leiden. Im ländlichen Bereich finden sich für viele freie Turnusstellen keine Bewerber mehr.

Den Turnus, die Ausbildung zum Allgemeinmediziner, mache man nicht, weil der Job so gut sei, sagt der Salzburger Turnusarzt Kurosch Borhanian, "sondern aus Leidenschaft". Die Arbeitszeit des jungen Mannes: 40 Wochenstunden fix plus mindestens sieben Nachtdienste pro Monat. So kommen oft 25 Stunden Arbeitszeit am Stück zusammen. Theoretisch hätte Kurosch Borhanian davon sechs Stunden Ruhezeit. Praktisch komme er auf maximal drei Stunden, und "wenn du Pech hast, hast du nur eine Viertelstunde Schlaf". Mehr als Arbeitszeit und -menge stört Borhanian, dass er einen großen Teil seiner Arbeitszeit mit Computerarbeit und Dokumentation, "Dingen, für die ich nicht Medizin studiert habe", verbringen muss. Erfahrung sammelt er in Nachtdiensten - für die Ausbildung der Turnusärzte bleibe wenig Zeit, "da muss sich jeder selber aktiv darum kümmern".

In Vorarlberg hat das Arbeitsinspektorat die Spitäler im Visier. "Wir wollen die Verantwortlichen wachrütteln", sagt die stellvertretende Leiterin Elisabeth Martin. Weil Beanstandungen der letzten Jahre nicht die gewünschten Maßnahmen brachten, forciere man die Kontrollen. Erste Ergebnisse aus Bregenz und Dornbirn: Statt maximal 72 Stunden die Woche muss bis zu 90 Stunden gearbeitet werden. Martin: "Meistens trifft es die Jungen, die Turnusärzte." Das Arbeitsinspektorat erstattete Anzeige und Aufsichtbeschwerde. Die Verfahren laufen.

Den Mangel an Turnusärzten kaschiert man in Vorarlberg mit einem Trick: Turnusposten wurden zu Assistenzarztstellen umgewandelt. "Ein Etikettenschwindel, der die Ausbildung zum Facharzt verschlechtert", sagt Turnusärztesprecher Simon Mayer. Positiv bewertet Mayer aber die Gehaltsreform des Landes, vor allem das neue Tätigkeitsprofil für Turnusärzte und die Hilfe durch Dokumentationsassistentinnen.

Mehr Geld und Entlastung von bürokratischen Aufgaben hätten auch Tiroler Spitalsärzte gerne. Nachdem ihre Vertreter wochenlang auf ein Gespräch mit Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg (VP) warten mussten, versprach er ihnen am Mittwochabend mehr Geld ab 2014. Im Sommer soll sich eine Arbeitsgruppe mit Gehältern in anderen Bundesländern und in Bayern beschäftigen. 2014 will das Land 20 Millionen Euro in die Gehälter der Jungmediziner stecken, ab 2015 ein neues Gehaltsschema für Ärzte einführen.

In Oberösterreich fehlen Turnusärzte vor allem in Spitälern auf dem Land. So gibt es am LKH Freistadt heute statt 17 noch fünf Turnusärzte. Selbst im Linzer AKh ist die Besetzung der Turnusstellen zum Problem geworden. Laut ärztlichem Leiter Heinz Brock bewarben sich früher vier bis fünf Jungmediziner, heute oft keiner. Die Antwort von Oberösterreichs Landespolitikern auf den Ärztemangel: eine eigene Medizin-Fakultät für die Uni Linz, so könnten angehende Mediziner im Bundesland gehalten werden. Oberösterreicher, die nach Wien oder Innsbruck gingen, kämen meist nicht zurück, argumentiert Landeshauptmann Josef Pühringer (VP).

Auch die Oberösterreichische Ärztekammer will neue Studienplätze, damit " die ärztliche Versorgung der Bevölkerung gesichert" bleibe, erklärt Präsident Peter Niedermoser. Dem widerspricht sein Salzburger Kollege Karl Forstner: "Eine vierte medizinische Universität ist der völlig falsche Ansatz." Forstner sieht mehrere Ursachen für den Mangel an Turnusärzten: Die Ausbildung sei schlecht, weil keine Zeit bleibe, das Einkommensniveau zu niedrig, man gehe noch zu wenig auf die gewünschte Work-Life-Balance dieser Generation ein.

Warteliste in Wien und Graz

Anders ist die Situation in Graz und Wien. Hier müssen Turnusärzte noch auf Stellen warten. In den steirischen Spitälern werden jährlich 164 Turnusärzte aufgenommen. Die Wartezeit habe sich auf zwei bis drei Monate verkürzt, sagt Christina Grünauer-Leisenberger, Personalmanagerin der Krankenanstalten-Gesellschaft. Engpässe bemerke man nur in den steirischen Randgebieten. "Es geht uns aber in Summe besser als den anderen Bundesländern, das liegt natürlich auch daran, dass wir hier über eine Medizin-Universität verfügen", sagt Grünauer-Leisenberger.

In Wien sank die Wartezeit auf einen Turnusplatz von zwei Jahren auf neun Monate. Als Hauptursachen nennt Thomas Szekeres, Präsident der Wiener Ärztekammer, dass es viele ins Ausland ziehe, außerdem gebe es wegen der Aufnahmebeschränkungen an den Unis weniger Absolventen. (jub, ker, mue, ruep,spri, ver, DER STANDARD, 27.6.2013)