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"Jeder Jugendliche kommt mit mehr krimineller Energie aus dem Gefängnis heraus, als er hineinging."

Foto: Nigel Treblin/dapd

Jetzt wird es also eine Taskforce geben, um die Jugend-U-Haft zu reformieren. Jugendliche sollen künftig höchstens zu zweit in einer Zelle einsitzen: theoretisch keine schlechte Idee, die jedoch rasch am realen Platzmangel in den U-Haftanstalten scheitern könnte. Daher soll ein neues Gefängnis gebaut werden, das mehr Platz bietet. 2017 soll es fertig sein, wenn Budgetlage, Planungs- sowie Baufortschritt passen.

So weit der Diskussionstand, drei Tage nach dem Schock aufgrund eines Berichts über die Vergewaltigung eines 14-Jährigen durch junge Mithäftlinge im Gefangenentrakt des Wiener Grauen Hauses. Häfen für Jugendliche müsse jugendgerechter werden, lautet das unausgesprochene Motto. Aber es müsse Häfen bleiben, denn anders werde man dem Problem der Jugendkriminalität nicht gerecht.

Genau das nun ist falsch - auch wenn es im sogenannten Zeitgeist liegt, zu behaupten, dass nur Härte gegen das dissoziale Verhalten unter 18-jähriger Handyräuber und anderer fruchtet. Vielmehr ist Nikolaus Tsekas, Co-Leiter von Neustart Wien, dem Verein für Resozialisierungshilfe, Unterstützung von Opfern und Prävention, beizupflichten, wenn er sagt: "Unter 18-Jährige haben im Gefängnis, wie wir es derzeit kennen, nichts verloren" - in Strafhaft ebenso wenig wie in U-Haft.

Keine Sozialromantik

Tsekas sagt das nicht aus Gründen der Sozialromantik, weder naiv noch blauäugig. Sondern aufgrund von vielfach bestätigtem Expertenwissen, also Erfahrung, die besagt, dass "jeder Jugendliche aus dem Gefängnis mit mehr krimineller Energie herauskommt, als er hineinging".

Denn das individuelle Freiheitsbedürfnis sei in jungen Jahren besonders ausgeprägt, sodass durch Einsperrung Aggression in besonders hohem Ausmaß entstehe: Aggression, die die Einsicht in die Notwendigkeit, gesellschaftliche Regeln zu befolgen, zusätzlich erschwere. Aggression, die sich im Gefängnis Luft mache. Gegen Schwächere, die dann unterjocht und gequält werden, so wie es besagtem 14-Jährigen geschah.

Daher, so Tsekas, seien im Umgang mit kriminell gewordenen Jugendliche Alternativen angesagt, die Gefängnismauern, Gesperre und Einsitzen in Mehrpersonenzellen überwinden. Derlei Modelle müssten nicht erst erfunden werden: Es gebe sie bereits. Etwa die Fußfessel, verbunden mit dem Einzug in ein Jugend-Krisenwohnheim: eine Häfenalternative, deren Anwendung derzeit im Fall eines Jugendlichen in Wien ganz konkret geprüft werde.

Flexible Strafmodelle

Aus der Schweiz wiederum seien Bestrafungsmodelle bekannt, die Freiheitseinschränkung mit weiterer Teilnahme am Alltag verbinden. Dort würden Jugendliche zur Anwesenheit im Gefängnis tagsüber verpflichtet; zum Übernachten dürften sie nach Hause. Oder umgekehrt: tagsüber sei ihnen Schul- oder Lehrbesuch draußen gestattet, aber abends müssten sie hinter Gitter zurück. Das würde, als gelinderes Mittel, wohl auch in der U-Haft funktionieren.

Derlei, so Tsekas, erhöhe die Resozialisierungschancen. Und, so ist dem hinzuzufügen: Wo, wenn nicht in einem, ähnlich der Schweiz, wohlständigen Land wie Österreich gibt es die Mittel, um es umzusetzen - politischer Wille vorausgesetzt? Tatsächlich ist es in einem solchen Land ein besonderer Skandal, wenn den Strafbehörden bei 14-jährigen Dieben nichts anderes als Wegsperren und Dunstenlassen einfällt. Mehr noch: Es ist eine strukturelle Gewalttat. (Irene Brickner, derStandard.at, 29.6.2013)