Wien - "Es wäre fast ein Wunder, wenn an einem Wochenende in Strafanstalt einmal nichts passiert": Klaus Priechenfried überrascht die Misshandlung eines 14-Jährigen im Jugendgefängnis in der Josefstadt nicht. Der Psychologe ist als Bewährungshelfer für den Verein Neustart oft in der Anstalt unterwegs - schließlich kommt so mancher Klient mehrmals mit dem Gesetz in Konflikt.

Immer wieder berichten Burschen Priechenfried von Gewalttätigkeiten und Erniedrigungen wenn sie von Freitagnachmittag bis Montagmorgen mit Ausnahme kurzer Hofgänge zu dritt oder viert in ihren Zellen hocken. Sperrt man Pubertierende, noch dazu mit instabiler Persönlichkeit, über ein Wochenende gemeinsam ein, sagt der Betreuer, "dann muss das einfach schiefgehen". Zwar gibt es in den Zellen einen Notknopf, um zum Schutz einen Wachebeamten zu rufen, doch hinterher drohten "Verrätern" umso härtere Konsequenzen. Wie oft es, wie beim aktuellen Fall, zu Vergewaltigungen kommt, traut sich Priechenfried nicht einzuschätzen: "Im Normalfall wird das der Jugendliche aus Scham verschweigen."

Keine U-Haft für Jugendliche

"Da werden lebenslange Wiederholungstäter gezüchtet", bilanziert der Bewährungshelfer und glaubt deshalb, dass der Ruf nach mehr Personal und besseren Haftbedingungen zu kurz greife. Jugendliche sollten überhaupt nicht in Untersuchungshaft gesperrt werden, fordert er, sondern mit elektronischer Fußfessel zu Hause oder - wie in der Schweiz vorexerziert - in sozialpädagogischen Heimen untergebracht werden. Die Jugendabteilung in der Josefstadt, wo hauptsächlich U-Häftlinge und Straftäter mit kleinen Delikten sitzen, könnte damit weitgehend entvölkert werden.

Schwere Fälle jungen Alters landen heute bereits in den Anstalten in Gerasdorf (Männer) und Schwarzau (Frauen) südlich von Wien. Angesichts eines üppigeren Angebots an Betreuung, Ausbildung und Raum, sagt Priechenfried, sei die Situation aber deutlich besser: "Dort ist ein Start in ein neues Leben möglich." (Gerald John, DER STANDARD, 29.6.2013)