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Nach weiteren Enthüllungen über das Ausspionieren von europäischen Auslandsvertretungen stehen die USA massiv unter Druck. Kritik kam am Montag vonseiten der EU und der betroffenen EU-Länder. "Wir können ein solches Verhalten unter Partnern und Verbündeten nicht akzeptieren", sagte Frankreichs Staatschef Francois Hollande. In EU-Kreisen in Brüssel wurde Washington "Vertrauensbruch" vorgeworfen, nachdem über Abhöraktionen in Vertretungen der EU, Deutschlands, Frankreichs, Italiens und anderer Länder berichtet worden war. Der US-Botschafter Willam Kennard wurde vorgeladen.

"Wir verlangen, dass das sofort aufhört"

"Wir verlangen, dass das sofort aufhört", sagte Hollande über die mutmaßlichen Abhöraktionen des US-Geheimdienstes in europäischen Einrichtungen. Solange Washington keine Garantien zur Einstellung der Spionageaktivitäten abgebe, könne es keine "Verhandlungen oder Transaktionen" zwischen den USA und Frankreich oder der EU geben.

Im Juli sollen die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU beginnen. Auch EU-Kommissarin Viviane Reding hatte am Sonntag damit gedroht, die Verhandlungen ruhen zu lassen, sollten die Berichte zutreffen.

Die britische Zeitung "The Guardian" hatte berichtet, die NSA habe unter anderem die diplomatischen Vertretungen von Frankreich, Italien und Griechenland in Washington und bei den Vereinten Nationen ausgespäht. Demnach installierte der Geheimdienst in den Vertretungen Wanzen und zapfte Kabel an. Insgesamt seien in den NSA-Dokumenten 38 Überwachungsziele genannt worden, darunter auch die Türkei. Das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" hatte zuvor bereits über NSA-Lauschangriffe auf EU-Einrichtungen berichtet.

"Wir sind nicht mehr im Kalten Krieg."

Deutschlands Regierung reagierte am Montag "mit Befremden" auf die Berichte. "Wenn sich bestätigt, dass tatsächlich diplomatische Vertretungen der Europäischen Union und einzelner europäischer Länder ausgespäht worden sind, dann müssen wir ganz klar sagen: Abhören von Freunden, das ist inakzeptabel", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. "Wir sind nicht mehr im Kalten Krieg." Auch der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck forderte Aufklärung.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel werde in Kürze darüber mit US-Präsident Barack Obama sprechen, sagte Seibert. Das Auswärtige Amt teilte mit, dass der US-Botschafter in Berlin für Montagnachmittag zu einem Gespräch erwartet werde. Eine förmliche "Einbestellung" sei dies jedoch nicht.

Schaden

Eine Vorladung des US-Botschafters gab es am Montag von Seiten der EU. William Kennard solle darüber mit dem EU-Spitzendiplomaten Pierre Vimont sprechen, teilte die Europäische Union am Montag mit.

"Wenn es wahr ist, dass die Amerikaner ihre Verbündeten ausgespäht haben, wird es einen politischen Schaden geben", hieß es aus EU-Kreisen in Brüssel. Die Spähangriffe gingen offenbar "weit über die Anforderungen für die nationale Sicherheit hinaus". Die EU-Kommission forderte von den USA rasch Klarheit. Darüber hinaus hielt sich die Brüsseler Behörde am Montag jedoch mit einer konkreten Bewertung zurück.Auch ob es Auswirkungen auf ein Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den USA haben könnte, wurde damit beantwortet, dass es jetzt vorerst um Aufklärung gehe.

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso veranlasste jedoch eine Sicherheitsüberprüfung in allen EU-Büros weltweit, wie eine EU-Sprecherin in Brüssel mitteilte. Die Berichte über Lauschangriffe auf die EU-Büros in Washington und New York seien "verstörend" und verlangten "volle Aufklärung".

"Aufklärung einer sehr dornenreichen Angelegenheit"

Die italienische Außenministerin Emma Bonnino erklärte in Rom, ihre Regierung verlange von Washington "Aufklärung einer sehr dornenreichen Angelegenheit". Zugleich äußerte sie sich "zuversichtlich", dass die US-Regierung die notwendigen Informationen lieferten. Italiens Staatspräsident Giorgio Napolitano erklärte: "Das ist eine heikle Angelegenheit, die zufriedenstellende Antworten braucht." Das griechische Außenministerium erklärte, es prüfe derzeit die Berichte und werde dann entsprechende Erklärungen verlangen.

US-Außenminister John Kerry wies Kritik an den Spähprogrammen der US-Geheimdienste zurück. Die Sammlung von Informationen über andere Länder sei "nicht unüblich", sagte Kerry nach einem Treffen mit der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton in Brunei. Zu den Berichten über das Ausspionieren europäischer Einrichtungen wollte er sich jedoch vorerst nicht äußern. Am Sonntag hatte die US-Regierung angekündigt, "über ihre diplomatischen Kanäle" auf die Vorwürfe reagieren zu wollen. Dieser Austausch könne in "einigen Wochen" beginnen.

Unverletzlichkeit diplomatischer Vertretungen

UN-Generalsekretär Ban Ki-moon forderte alle UN-Staaten auf, "die Unverletzlichkeit diplomatischer Vertretungen zu schützen". Auf die mutmaßlichen NSA-Aktivitäten wollte er nicht konkret eingehen.

Auch Bundespräsident Heinz Fischer zeigte sich am Montag "irritiert und besorgt" über die Berichte. In einer Stellungnahme gegenüber der APA bezeichnete des Staatsoberhaupt eine "umfassende, rasche und wahrheitsgemäße Aufklärung" als "absolut notwendig".

Hierzulande gibt es laut Innenministerium derzeit keine Hinweise, dass auch österreichische Regierungsstellen direkt von Spionageangriffen betroffen waren. Auch gebe es aktuell keine Hinweise, dass Telefon- und Internetverbindungen in Österreich überwacht worden seien. Für das weitere Vorgehen sei es notwendig, sich auf europäischer Ebene abzustimmen, hieß es am Montag auf APA-Anfrage aus dem Innenministerium. (APA, 1.7. 20139