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US-Soulklassiker Bobby Womack mit eigenen Hits und Gospels in der Wiener Staatsoper. 

Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Wien - So eine Chronologie leistet sich selten jemand. Aber gut, wenige sind Bobby Womack. Als er die Staatsopernbühne betrat, schoss er aus der Hüfte. Mit Across 110th Street eröffnete er, einem Hit, mit dem andere Shows beschließen würden. Aber wie gesagt, nicht jeder ist Womack, nicht jeder hat so viele Songs, die alle als finale Höhepunkte passten.

Und das ist die nächste frohe Botschaft: Womack verzichtete auf ein glattes Best-of-Programm und bot einen etwas abseitigen Querschnitt durch sein gut fünf Dekaden umfassendes Bühnenleben. 1944 in Cleveland geboren, ist er heute 69 Jahre als und sieht keinen Tag jünger aus. Denn Womack war, was man einen wilden Hund nennt, der wesentliche Figuren der Popgeschichte streifte: Er schrieb It's All Over Now, mit dem die Stones ihren ersten Nummer-eins-Hit hatten; er war Gitarrist bei Sam Cooke und heiratete nach dessen Ermordung 1964 zum Entsetzen vieler dessen Witwe.

Er arbeitete mit Aretha Franklin, Sly Stone oder Janis Joplin - ihm selbst gelangen rund drei Dutzend Chartserfolge, darunter Klassiker wie Nobody wants you when you're down and out oder Lookin' for a Love - allesamt waren sie live zu hören.

Das Leben als Popstar genoss er - auch durch die Nase. In den 1960ern entwickelte er eine Vorliebe für Kokain, 15 Jahre später gestand er sich ein, von dem Zeug ein bisserl abhängig zu sein. Damals gelang ihm mit dem Album The Poet (1981) seine letzte Nummer eins. In den 1980ern verebbte jedoch das Interesse an den Soulstars der vorherigen Jahrzehnte, was auch Womack zu spüren bekam. Er überlebte dank Tantiemen, legendär ist die Anekdote mit dem Stones-Hit: Er soll sauer gewesen sein, dass die weißen Trottel mit seinem Lied die Charts toppten. Als er die Tantiemenabrechnung bekam, konvertierte er jedoch zum Stones-Fan.

Heute steht er als Überlebender auf der Bühne. In mehrfacher Hinsicht. Einmal hat er seine wilden Jahre sowie den Verlust zweier Kinder überlebt und im Vorjahr eine Krebserkrankung. Heuer wurde eine Alzheimer-Erkrankung festgestellt, aber da überwog noch die Freude über die positiven Reaktionen auf sein neues Album The Bravest Man in the Universe (2012). Es zeigt den alten Mann mit all seinen Schwächen und Stärken in voller Herbstblüte.

Der Titelsong sowie Please Forgive My Heart und Deep River wurden zu Höhepunkten des Konzerts. Minimalistisch instrumentiert, bauen sie auf die Überzeugungskraft der Stimme, in der ein Leben mitzuschwingen scheint. Unterstützt wurde Womack von einer 13-köpfigen Band und Altrina Grayson. Die Dame aus seinem Background-Chor muss man extra erwähnen, sie half ihrem Meister wesentlich. Was für eine Stimme! Grayson könnte in einem vollen Stadion die Namen vermisster Kinder ohne Mikrofon ausrufen.

Womack sorgte dafür, dass das Publikum aus den Sesseln kam, genoss den Zuspruch. Gegen Ende überwogen Gospels; im Call-and-response-Schema dialogisierte Womack mit seinen Chordamen, die Bläser setzten Akzente. Hier offenbarte sich, wo Soul-Music herkommt: aus der Kirche. Und wie bei jedem anständigen Soul-Star bildete die Kirche einen Background für seine Karriere. Für den Herrn nahm er seine Kappe ab, bald darauf verabschiedete sich diese lebende Legende. Würdig und recht. (Karl Fluch, DER STANDARD, 5.7.2013)