Der Sicherheitsexperte Gert-Rene Polli geht davon aus, dass die österreichische Regierung noch schlechter gegen Abhörangriffe geschützt ist als die vom US-Geheimdienst ausspionierten EU-Institutionen. "Beim Cleanen von Räumen ist bisher fast nichts passiert", sagte der frühere oberste Terrorbekämpfer Österreichs am Montag der APA. Mit "Cleanen" (Reinigen) ist im Geheimdienstjargon die Suche nach Abhöranlagen gemeint. Laut Polli können sich Regierungsstellen aber nicht einmal mit Computer-Firewalls gegen Abhöraktionen schützen.

Ungesicherte Kanäle

"Es gibt Zugriff über Firewalls hinweg und ich würde nicht ausschließen, dass auch auf Regierungsstellen zugegriffen werden kann", sagte Polli, der von 2002 bis 2008 Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) war. Zwar habe auch die österreichische Regierung abhörsichere Räume, doch "gibt es eine Vielzahl von Kommunikation, die über ungesicherte Kanäle läuft."

Zu den Enthüllungen des US-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden meinte Polli: "PRISM war nur namentlich nicht bekannt. Dass es solche Programme gibt, ist sonnenklar. Man findet alle Informationen dazu im Internet, und zwar schon Jahre zurück." Dennoch sei die Causa Snowden ein "starker Einschnitt": "Europa beginnt aufzuwachen und erkennt, dass die nationale Sicherheit Europas von den Amerikanern über Jahre ausspioniert worden ist." Bisher sei es nämlich in Europa jahrzehntelang "opportun gewesen, eine absolute Kooperation mit den USA einzugehen".

"Zum selben Zeitpunkt wurden Daten abgesaugt, um die Wirtschaft hinters Licht zu führen und Politiker abzuhören"

Zwar hätten die USA den Europäern auch "relevante Informationen" zur Terrorbekämpfung geliefert. "Zum selben Zeitpunkt wurden Daten abgesaugt, um die Wirtschaft hinters Licht zu führen und Politiker abzuhören", kritisierte Polli, der mit seiner Wiener Firma IPS Unternehmen in Sicherheitsfragen berät. Gerade bei der Abwehr von Wirtschaftsspionage gebe es Handlungsbedarf, da dieser Bereich in der Vergangenheit vernachlässigt worden sei.

Zudem sei die Qualität der US-Informationen mitunter "zweifelhaft" gewesen. Sie wurden nämlich unter Anwendung von Mitteln gewonnen, "die weit jenseits unserer Vorstellungskraft sind", sagte Polli in Anspielung auf die berüchtigten US-Foltermethoden. "Ein Großteil des Lagebildes beruhte auf diesen Informationen und das führte zu Fehlbeurteilungen."

"Im Irak gibt es 40 Anschläge pro Tag."

Polli räumte ein, dass die österreichischen Behörden - wie alle anderen - die Herkunft der US-Daten nicht beanstandet hätten. "Es wird nicht geprüft, wie die Daten erhoben wurden." Bei der Abwehr von Terroranschlägen sei nämlich eine hohe Brisanz gegeben. Schließlich dienten die Informationen dazu, "um Leib und Leben der Österreicher zu schützen." Der Ex-Verfassungsschützer fügte jedoch hinzu, dass konkrete Anschläge in Österreich nicht vereitelt worden seien. Die Aussage des US-Geheimdienstchefs Keith Alexander, das umstrittene PRISM-Programm habe 50 Anschläge verhindert, meinte Polli: "Im Irak gibt es 40 Anschläge pro Tag." (APA, 8.78. 2013)