Wien - Es sind schwere Vorwürfe, die gegen eine praktische Ärztin in Wien erhoben werden: In ihrer Ordination sollen bei Schwangerschaftsabbrüchen gehäuft Komplikationen auftreten. Seit 2008 sei dort 16-mal die Rettung vorgefahren, sagte die Wiener Patientenanwältin Sigrid Pilz am Donnerstag im Ö1-Morgenjournal. Immer wieder sei es wegen der Anwendung veralteter Methoden zu schweren inneren Verletzungen gekommen. Zuletzt sei eine junge Patientin mit dem Unterleib voll Blut ins Spital gekommen, schilderte Pilz dem Standard. "Die Frau hat nur knapp überlebt." Das Krankenhaus erstatte nun Anzeige.

Die Patientenanwältin moniert nicht nur schwere Behandlungsmängel, sie kritisiert auch, dass die Ärztekammer zu lange untätig geblieben sei: "Ich habe die Ärztekammer wiederholt schriftlich und mündlich informiert." Pilz hat zwei Beschwerdefälle an die Kammer weitergeleitet. Diese werde aber immer erst tätig, wenn ein Strafverfahren laufe. Daher fordert Pilz von Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ), der Ärztevertretung die Zuständigkeit für die Qualitätssicherung zu entziehen. "Es braucht dafür eine unabhängige Behörde", meint Pilz.

Stöger zeigte sich am Donnerstag durchaus offen: "Die Qualität muss gesichert werden. Wenn die Ärztekammer das nicht schafft, ist es vorstellbar, dass man etwas Eigenes entwickelt", hieß es dazu aus dem Ministerbüro. Dafür bräuchte es aber "umfassende gesetzliche Veränderungen". Das könne Thema der nächsten Regierungsverhandlungen sein.

Thomas Holzgruber, Kammeramtsdirektor der Wiener Ärztekammer, wehrt sich gegen die Kritik: In der Vergangenheit habe es bei der Ärztin mehrmals Probleme mit der Hygiene gegeben, aufgrund derer die Ordination kurzfristig auch zugesperrt worden sei. Die Patientenbehandlung betreffende Vorwürfe habe man aber erst vor wenigen Wochen von Pilz erfahren, sagte Holzgruber. Die Vorwürfe würden nun geprüft, gegen die Ärztin laufe ein Verfahren wegen der Aberkennung der Berufsberechtigung. Zudem kann bei "Gefahr im Verzug" der Landeshauptmann informiert werden - auch das sei geschehen.

Pilz sagt, sie habe die Ärztekammer bereits im Herbst 2012 erstmals informiert. Die Patientenanwältin kritisiert, dass die Österreichische Gesellschaft für Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement in der Medizin (ÖQMed), die von der Kammer finanziert wird, nicht tätig wurde. Für Holzgruber ist diese Kritik "eine Themenverfehlung". Die ÖQmed sei für die Behebung von Struktur- und Prozessmängeln zuständig. Dafür erfolge die Evaluierung der Ordinationen per Online-Fragebögen. "Das Thema Behandlungsqualität läuft auf einer anderen Schiene", sagt Holzgruber.

Werbung mit billigen Preisen

Die kritisierte Ärztin wirbt mit billigen Tarifen (300 Euro für einen Schwangerschaftsabbruch - im Ambulatorium Gynmed liegen die Kosten bei rund 500 Euro). Die Medizinerin, die Donnerstag für den Standard nicht erreichbar war, soll bei den Eingriffen die anästhetische Behandlung übernommen haben, die Abtreibungen sollen Gynäkologen vorgenommen haben. Mangels anderer Geräte soll den Patientinnen die Gebärmutter ausgeschabt worden sein - eine veraltete Methode, wie Gynmed-Leiter Christian Fiala, sagt. "Die Frauen selbst klagen in solchen Fällen aber sehr selten, Schwangerschaftsabbrüche sind immer noch ein Tabu", sagt Fiala. State of the Art sei seit zehn Jahren die Absaugmethode.

Die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche im Jahr in Österreich wird auf rund 30.000 geschätzt. Laut Fiala ist ein solcher Eingriff heutzutage bei adäquater Behandlung eine "sehr, sehr sichere Sache". Bei Gynmed habe man in den letzten Jahren kein einziges Mal die Rettung rufen müssen. (Gudrun Springer/DER STANDARD, 12.7.2013)