Seit 20 Jahren zelebriert das Goodwood Festival of Speed die Rennsport-Historie in all ihren Facetten und Irrwegen. Eine Jubel-Ansichtssache zum runden Geburtstag

Dezenz und bewusst gelebte "Splendid Isolation" sind nicht die Sache von Charles Gordon-Lennox, Earl of March und Kinrara. Schließlich lässt der Landedelmann auf seinem Anwesen im englischen West Sussex jedes Jahr eine Party steigen, die eindrucksvoll zeigt, wie lässig kultivierte britische Sportmanship mit dem Anspruch einer Mega-Motor-Show zusammengeht. Histo-Cup für Fortgeschrittene sozusagen.

Vor 20 Jahren rief der Blaublütige, der in der Szene als "Lord March" bekannt ist, auf seinen Latifundien das "Goodwood Festival of Speed" ins Leben. Seitdem gilt die Gartenparty als das Maximalmögliche, so es um High Potentials der Akzeleration geht. Vom gedopten Dragster über Landgeschwindigkeitsrekord-Raketen, exaltierte Prototypen, schräge Fun-Cars, historische Rallye- und Formel-1-Boliden bis hin zu aktuellen Concept Cars wird am Gelände von Goodwood House alles aufgeboten, was dröhnt, quengelt, sabbert, röhrt, sprotzt und greint.

Ein Highlight für alle Motorischen

Für seine illustre Gästeschar hält der alerte Lord einige Spielplätze bereit: eine historische ehemalige Formel-Strecke namens Goodwood Circle, eine Strecke für ein kleines Bergrennen sowie einen Rallye-Parcours. Ein Flugplatz liegt ebenfalls ums Eck. Praktisch. Dazu gibt's eine hohe Promi-Dichte (diesmal dabei: Jenson Button, Lewis Hamilton, Nico Rosberg und Stirling Moss) sowie traditionell eine kleine Flugshow (2008 zog der Ober-Airbus A380 im Tiefflug über Goodwood House hinweg).

Klingt alles ziemlich gaga bis abgehoben, ist aber dank großer Lockerheit im Umgang und Nähe zum gemeinen Volk - die meisten Boxengassen stehen Kiebitzen offen - ein absoluter Höhepunkt für alle notorisch Motorischen. Von vergangenem Donnerstag bis Sonntag ging das Goodwood Festival of Speed wieder in Szene - wir zeigen die schönsten Impressionen vom Jubiläums-Concours.

Freudvoller Auftritt eines Klassikers der "Fuel-Altered"-Szene der 1960er: "The Rat Trap" von 1968, ehemaliger Dominator der amerikanischen Dragster-Szene.

Foto: jochen van cauwenberge

Hier zieht ein optisch unscheinbarer Konkurrent den Leistungsnachweis hinter sich her.

Foto: Matt Sills

Unterboden-Check? Done! Ein Plymouth Barracuda beim Posing. Der Rufname "Bear of a Cuda" zielt wohl darauf ab, dass das legendäre Muscle Car der 1960er eigentlich "Panda" heißen sollte. Es kam anders, bekanntlich.

Foto: Adam Beresford

Goodwood House, die bescheidene Bleibe von Veranstalter Lord March. Vor 20 Jahren verwandelte er sein Anwesen zum ersten Mal in einen Abenteuerspielplatz für die Classic-Car-Szene. Der 58-Jährige geht übrigens unter dem Pseudonym Charles Settrington einem schönen Hobby nach: Er fotografiert Stillleben, Spezialgebiet Trompe-l'œil-Technik. Sehr spleenig. Übers Jahr können beim Lord übrigens Trackdays gebucht werden. Die Skulptur vor der Haustür verweist auf 50 Jahre Porsche 911.

Foto: paul melbert

In Goodwood stand die eigene Jubiläumsstory ganz im Zeichen des Landgeschwindigkeitsrekords. Die Jagd nach dem Titel "Schnellster Mensch der Welt" war lange Jahre  eine Auseinandersetzung zwischen britischen Sportsmännern und amerikanischen Haudegen. In West Sussex waren die wesentlichen historischen Bodenraketen vertreten, hier wird der "Golden Arrow", der Rekordhalter des Jahres 1929, geschmackvoll in Szene gesetzt.

Foto: Adam Beresford

1927 zerstörte Parry Thomas sein "Babs" genanntes Gefährt bei einem Highspeed-Versuch auf einem Sandstrand in Wales. Das Wrack wurde gleich vor Ort verscharrt. Irgendwann erbarmte sich einer und grub die Leiche aus: 15 Jahre dauerte die Restaurierung. Nun fährt "Babs" in Goodwood.

Foto: John Colley

Noch so ein beeindruckender Vertreter der frühen Aerodynamiker-Szene.

Foto: John Colley

Seit einigen Jahren nutzen auch aktuelle Automobilhersteller die Szenerie, um sich mit Rennsport-Ablegern, Concept Cars oder Novitäten zu inszenieren. Jaguar etwa verwandelte den F-Type in einen abstrippten Einsitzer, der auf die Renn-Historie der Marke verweist. Nennt sich "Project 7" und soll die sieben Jaguar-Gesamtsiege beim Langstreckenklassiker in Le Mans in Erinnerung rufen.

Foto: Jaguar

Die wichtigsten Daten des Einzelstücks: 550-PS-Kompressor-V8, 0-100 km/h in 4,2 Sekunden, Topspeed: nahe 300 km/h.

Foto: Jaguar

Einen Tick radikaler ging Bentley den Schaulauf in Goodwood an: Der Continental GT3 ist die Basis für einen Einsatz in der Blancpain Endurance Series, einer GT-Meisterschaft mit Langstreckencharakter. Für den Job wurde der Allradantrieb explantiert, der V8 auf 608 PS aufgeputscht und 1.000 Kilo Gewicht abgeschmolzen. Die verbliebenen 1.300 Kilogramm sollen bereits 2014 an den Start gehen.

Foto: Bentley

Unterhaltung war und ist in Goodwood übrigens ein großes Thema: Terry "Ultimate Car Control" Grant bei der Arbeit.

Foto: John Colley

Ganz real treten auch die "Wacky Racers", normalerweise Hauptdarsteller in einer US-Zeichentrickserie, in Goodwood auf.

Foto: Adam Beresford

Ein Blick in die Boxengasse der "Wacky Racers". Coole Typen (v. li.).

Foto: Adam Beresford

Der Begriff "Mobilität" wird bei dem jährlichen Come-Together übrigens sehr weit gefasst. Neben der klassischen Streitwagen-Anordnung ...

Foto: Adam Beresford

... sind auch dampfbetriebene Kutschen wie das "London Steam Carriage" von 1803 zu bewundern. Reichweite: etwa 15 Kilometer. Höchstgeschwindigkeit: 13 km/h (beziehungsweise abhängig von den Qualitäten des Heizers).

Foto: Adam Beresford

Daneben präsentierte sich Goodwood wieder als Weihestätte für exklusive Raritäten aus der Rennsport-Szene. Im Bild ein antikes NASCAR-Gerät, genauer der 1966er-Ford Galaxie von Fred Lorenzen.

Foto: Adam Beresford

Auch Jaguar trug einst Martini-Trimm, konkret dieser XJ 220 GT. War in der Zivilversion eines der Supercars der frühen 1990er.

Foto: Marcus Dodridge

Leistungsmäßig etwas dezenter tritt dieser Skoda 130 RS an. Der tschechische Tiefflieger mit dem Porsche-911-Konzept (Heckmotor-Heckantrieb) bereicherte ab Mitte der 1970er mit seinem 140-PS-Aggregat den Rennsport.

Foto: Adam Beresford

Ebenfalls in West Sussex stark vertreten: aktuelle und historische Formel-1-Rennwagen. Hier zum Beispiel ein McLaren M23 des Marlboro Team Texaco. Der zweifache Weltmeister Emerson Fittipaldi war mit diesen Farben 1974/75 unterwegs.

Foto: matt sills

Abseits des Asphalts wurde auch reichlich Staub aufgewirbelt, konkret auf der kleinen privaten Rallye-Strecke von Lord March.

Foto: John Colley

Toyota Celica Twincam Turbo TA 64 von 1983. Ein frühes Gruppe-B-Gerät, pilotiert von Björn Waldegaard.

Foto: Adam Beresford

Für Freunde des Nutzfahrzeugs war auch etwas dabei: Ford Transit Super 3 von 1995. Die Van-Silhouette kaschiert ein astreines Renn-Chassis samt Ford-Cosworth-Mittelmotor, Blech wurde großzügig durch Fiberglas ersetzt.

Foto: Adam Beresford

Beruhigend angesichts der sündhaft teuren und frivol motorisierten Preziosen beim Goodwood Festival of Speed 2013: Es wurden auch profane Vergnügungen geboten. (Stefan Schlögl, derStandard.at, 16.7.2013)

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Goodwood Festival of Speed 2013

Foto: Marcus Dodridge