Außen weich, innen tief und schmutzig: die Ausstellung "Wagner Extase" im ehemaligen Post- und Telegrafenamt.

Foto: Wagnerdämmerung

Wien - Unzählige bunte Schaumstoff-Restln quellen aus den Fenstern, die den Eingang des ehemaligen Post- und Telegrafenamtes am Wiener Börseplatz säumen. Installation RW.13 lautet der nüchterne Titel dieser Verstopfung von Josef Trattner, die gleichzeitig ein erstes Sinnbild für das Überbordende und Exzessive sein soll, mit dem man es in der Ausstellung Wagner Extase zu tun bekommen wird. "Es sieht aus, als ob das Haus kotzen würde", habe sie einen Passanten sagen hören, erzählt Kuratorin Florentina Welley schmunzelnd.

Welley hat gemeinsam mit dem langjährigen Künstlerhaus-Chef Peter Bogner und dem Bühnen-Ungetüm Paulus Manker die Begleitausstellung zu dessen Opus Wagnerdämmerung kuratiert, die im Parterre und im ersten Kellergeschoß des aufgelassenen und ziemlich heruntergekommenen Amtsgebäudes zu sehen ist.

"Die Wellen Wagners weiter wirken lassen", so beschreibt Bogner den gemeinsamen Nenner des Kuratoren-Trios. Insgesamt 49 Künstler haben Arbeiten beigetragen, darunter auch Erwin Wurm und der wagnerianische Gesamtkunstwerker Hermann Nitsch.

Während der Nitsch-Raum archaisch-religiöse Gefühle beschwört, schreit die Gegenwart in der Videoarbeit Why Don't We Wagner von Michael und Kamila Bielicky recht plakativ zum Himmel: Die Installation ist an Twitter angeschlossen, von wo aktuelle, Wagner-relevante Sätze bezogen werden. Die Tweets werden als Sprechblasen und Stummfilm-Zwischentitel in Animations-Tableaus in Otto-Neurath-Ästhetik integriert. Computergeneriert sind jedoch die wenigsten Arbeiten, es dominiert das Analoge, das haptisch Erfahrbare.

Während man sich durch das aufgelassene Amtsgebäude bewegt, hat man immer ein bisschen das Gefühl, einen Kosmos der Verdrängung zu erforschen. In fast jeder Nische Kunst: Ketten, Stoffe, Baumaterialien, Gemälde, Objekte, Schrundiges, Erhabenes, Teures, Billiges. Ehemalige Aborte werden ebenso zum Kunstraum wie Türbögen oder ein alter Fahrstuhl. Dieser geschichtsvolle Ort ist kein White Cube. Die Bandbreite der Arbeiten auf dem Weg in die Tiefe ist groß. Da gibt es etwa die sozial engagierten Gemälde von Ona B., die türkische Softporno-Plakate mit Wagnerzitaten konterkariert, um den Dargestellten "die Würde zurückzugeben".

Außerdem begegnet man einem Deckengemälde von Hannes Mlenek, in dem er die Entwicklung Parsifals nachzeichnet. Paulus Manker hat seinem Helden Christoph Schlingensief einen Raum eingerichtet. In einem kühlen Winkel lädt eine Eisengitter-Bank ein, eine Zeitlang von ferne den Heiligen Gral zu betrachten.

Teilweise wurden die Arbeiten speziell für den Ausstellungsort entwickelt, zum Teil wurden sie in ihren Kontext transferiert. Die von Katharina Razumovsky mit Extase übertitelte Installation aus kühlen Heizungsrohren bildet einen interessanten Gegensatz zu Trattners weichem Schaumstoff-Willkommensgruß. (Roman Gerold, DER STANDARD, 18.7.2013)