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Detroit ist die bisher größte Stadt in der US-Geschichte, die Bankrott anmeldet.

Foto: EPA/Jeff Kowalsky

New York – Die Stadt Detroit hat Konkurs angemeldet. Das geht aus Gerichtsdokumenten hervor, die am Donnerstag bekannt wurden. Die Bankrotterklärung sei "der einzig mögliche Weg zu einem stabilen und soliden Detroit", erklärte der Gouverneur von Michigan, Rick Snyder, in einem Begleitschreiben. Die Stadt ist die bisher größte in der US-Geschichte, die Bankrott anmeldet. Das Vorgehen von Detroit könnte es für andere Städte in den USA schwieriger machen, sich mit frischem Geld zu versorgen.

Gouverneur Snyder hatte im März den Sanierungsexperten Kevyn Orr eingesetzt, der mit umfassenden Befugnissen der desolaten Finanzlage in Detroit Herr werden sollte. Er habe gehofft, die Stadt würde keinen Bankrott anmelden müssen, erklärte Snyder in einem Begleitschreiben zu den Gerichtsunterlagen. Nun sei es aber an der Zeit, der Wahrheit ins Auge zu sehen: "Die Stadt kann ihre Schulden nicht mehr bezahlen, wenn sie fällig werden, und ist insolvent."

Schuldenberg

Die Stadt, einst Zentrum der US-Autoindustrie, ächzt unter einem Schuldenberg von 18,5 Milliarden Dollar (14,1 Milliarden Euro). Im Juni wurden die Zahlungen an einige Gläubiger eingestellt. Snyders Angaben zufolge kann die Stadt die Steuern aus rechtlichen Gründen nicht weiter erhöhen. Ohnehin könnten die Bürger nicht noch höhere Abgaben schultern, erklärte der Gouverneur.

Die Ausgaben zum Betrieb der städtischen Dienste haben seit 2008 die Einnahmen jährlich um rund 100 Millionen Dollar überstiegen. Zudem zehren Zahlungen für langfristige Verbindlichkeiten von rund 8,5 Milliarden Dollar fast 20 Prozent des Haushalts auf. Darüber hinaus belasten milliardenschwere Pensionsverpflichtungen die Stadtkasse.

Der Niedergang der Metropole vollzog sich über Jahrzehnte. Die Autobauer General Motors, Ford und Chrysler verhalfen der Stadt zur Blüte. 1950 hatte die einst fünftgrößte Stadt der USA noch 1,8 Millionen Einwohner, heute leben dort knapp 700.000 Menschen, davon ein Drittel in Armut. Die Autoindustrie verlagerte ihre Standorte, viele Fabriken schlossen, die Arbeitslosigkeit schoss ebenso in die Höhe wie die Kriminalität. Zugleich wurden die öffentlichen Ausgaben immer weiter gekürzt, was wiederum weitere Bürger dazu brachte, die Stadt zu verlassen. Snyder bezeichnete den Verfall der Stadt als "60 Jahre andauernden Niedergang".

Leere Gebäude

Heute stehen in Detroit 78.000 Gebäude leer, 40 Prozent der Straßenlaternen sind außer Betrieb. Weil das Geld für Reparaturen fehlt, fährt nur ein Drittel der Rettungswagen. Wie Snyder in seinem Schreiben erklärte, müssen die Bürger in Detroit nach einem Notruf durchschnittlich 58 Minuten auf die Polizei warten – landesweit liegt der Durchschnitt bei elf Minuten. Zugleich ist die Mordrate auf dem höchsten Stand seit knapp 40 Jahren.

Es wird erwartet, dass andere Städte in den USA die Folgen der Konkursanmeldung zu spüren bekommen. Für sie könnte es schwieriger werden, Kredite zu erhalten, denn die einst als besonders vertrauenswürdig eingestuften Anleihen von Gemeinden verlieren voraussichtlich weiter an Ansehen.

Helfen soll nun das Kapitel 9 des US-Insolvenzrechts (Chapter 9). Dieses erlaubt eine Neustrukturierung der Verbindlichkeiten, erläuterte NordLB-Analyst Bernd Krampen. "Danach ist der Weg zum Aussetzen von Zahlungen an einzelne Gläubiger und das Aufbrechen von Verträgen möglich, was den Abwärtstrend stoppen soll." Auf die zahlreichen Gläubiger der Stadt dürften dementsprechend nun riesige Verluste zukommen. Zähe Verhandlungen mit dem Sonderverwalter sowie langjährige Gerichtsverfahren werden erwartet. Die Zinsen für Detroit-Anleihen sind bereits am Donnerstag auf neue Höchststände geschossen. (APA/Reuters/red, derStandard.at, 18.7.2013)