Fuchs: "Ruhigstellung mit TV-Apparaten kann nicht die Lösung sein."

Foto: STANDARD/Cremer

STANDARD: Vergangene Woche hat erstmals die Taskforce "Jugend U-Haft" getagt, die Alternativen zur Untersuchungshaft für unter 18-jährige Häftlinge entwickeln soll. Hat man zu lange weggeschaut?

Fuchs: Derzeit wird in der Kriminalpolitik vor allem reagiert, meist auf Einzelereignisse, die die Öffentlichkeit bewegen. Es fehlen ein grundsätzlicher Plan und eine Linie, dass man solche Probleme, die ja bekannt sind, auch ohne aktuellen Anlassfall angeht. Dazu gehört die Haft für Jugendliche. Hier müssen Alternativen her - Betreuung in Heimen etwa und mehr Sozialarbeit.

STANDARD: Mit dem Thema lässt es sich als Politiker schwer punkten.

Fuchs: In der Regel geht's in Richtung Einsperren, wenn ein Problem auftritt. Jetzt ist es einmal anders, weil ein junger Häftling das Opfer ist. Bei den Jugendlichen gilt es, sie von kriminellen Karrieren wegzubringen. Und dafür ist die Haft sehr schlecht geeignet. Das Strafrecht kommt eigentlich zu spät. In Wahrheit muss bei der Familie und vom Kindergarten beginnend angesetzt werden.

STANDARD: Nimmt die Kriminalität bei Jugendlichen eigentlich zu?

Fuchs: In den letzten Jahren nimmt sie ab. Aber sie ist immer relativ hoch. Wenn man sich pro Altersgruppe ansieht, wie viele Straftaten begangen werden, dann ist die Spitze bei 18 bis 19 Jahren - meist Sachbeschädigungen, Diebstähle oder Körperverletzungen.

STANDARD: War es wirklich besser, als es den Jugendgerichtshof gab?

Fuchs: Es gab eine bessere räumliche Trennung, Personal und Richter waren nur für die Jugendlichen da. Freilich war der Jugendgerichtshof zuletzt baulich vernachlässigt. Aber auch in der Justizanstalt Josefstadt wurden nur wenige Einzelzellen gebaut - obwohl das Gesetz anordnet, dass es in der Nacht Einzelunterbringung geben soll.

STANDARD: Jetzt verkauft Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) die Zweibettbelegung als neue Maßnahme für den Jugendstrafvollzug.

Fuchs: In der Praxis ist das wohl eine Verbesserung, aber im Gesetz steht seit Jahrzehnten die Einzelbelegung. Da hätte man längst baulich vorsorgen müssen.

STANDARD: Wenig Personal, wenig Geld: Wird nur mehr verwaltet?

Fuchs: Internationales Minimum ist ein Personalstand von zwei zu eins: Wir haben derzeit rund 9000 Gefangene, also wären zumindest 4500 Strafvollzugsbedienstete nötig. Das haben wir nicht. Schweden gibt fast 300 Euro pro Tag und Strafgefangenem aus, in Österreich sind es 100 Euro.

STANDARD: 53 Prozent aller Strafgefangenen werden rückfällig. Ist der Glaube an die Resozialisierung nur etwas für Sozialromantiker?

Fuchs: Man muss bescheiden sein, aber bei Freiheitsstrafen ist es der einzige Weg. Straftäter sind oft Menschen, die nicht gelernt haben, ihr Leben so zu organisieren, dass sie auf legalem Weg für sich sorgen können. Hier muss angesetzt werden. Und das braucht Geld und Personal. Die billigste Methode ist immer noch wegzusperren.

STANDARD: Wegsperren macht aber keinen selbstständigen Menschen.

Fuchs: Im Gegenteil: Es führt dazu, dass der Rest an Selbstständigkeit, der vorhanden ist, verlorengeht. Dann wird das kriminelle Potenzial noch größer.

STANDARD: Ist das jetzt der Fall?

Fuchs: Je mehr man Beschäftigungsmöglichkeiten, Lernen, Aufenthalt in Gruppen und dergleichen einspart, desto größer wird die Gefahr. Ruhigstellung mit TV-Apparaten in der Zelle kann nicht die Lösung sein.

STANDARD: Wird bei den Reformbemühungen jetzt auf die anderen, erwachsenen Häftlinge vergessen?

Fuchs: Ja. Auch dort braucht es eine Reform.

STANDARD: Glauben Sie, dass in der Bevölkerung ...

Fuchs: ... Verständnis dafür da ist, ich weiß. Aber investiere ich Geld in den Strafvollzug, erspare ich viel Leid in der Bevölkerung, weil die Rückfallquote geringer wird oder weniger schwere Straftaten begangen werden. Und es ist auch eine Frage unserer Kultur: Wenn der Staat einem Menschen die Freiheit nimmt, hat er die Verpflichtung, sich um ihn zu kümmern. (Peter Mayr, DER STANDARD, 22.7.2013)