Endlich! Fast sieben Jahre nach dem Mord an der Journalistin Anna Politkowskaja wird ihren Mördern der Prozess gemacht. Dass auf der Anklagebank die Täter sitzen, scheint glaubhaft. Er habe keinen Zweifel, dass die Beschuldigten an der Tat beteiligt gewesen seien, sagt auch Politkowskajas Kollege Sergej Sokolow, der für die "Nowaja Gaseta" die Ermittlungen in dem Fall führte.

Und doch gibt es Kritik: Denn es scheint den Behörden nicht um Gerechtigkeit, sondern ums Image zu gehen. Vor vier Jahren hatte sich die Staatsanwaltschaft blamiert, indem sie unvorbereitet in den Prozess ging. Wie sich zeigte, sind Geschworene in Russland stärker an Beweisen interessiert als Richter. Der Prozess endete mit einem Freispruch.

Nun haben es die Behörden mit dem Schuldspruch so eilig, dass sie sogar die Angehörigen Politkowskajas als Nebenkläger aus dem Prozess ausschlossen. Dabei haben die Kinder der Ermordeten wohl das höchste Anrecht auf eine Teilnahme am Verfahren. Um ein paar Tage kann es nun nicht mehr gehen. Es sei denn, es geht darum, den Fall abzuschließen - möglichst vor einem weiteren traurigen Jubiläum der Bluttat mit den entsprechenden Schlagzeilen.

Oder es geht darum, die nach wie vor offene Frage nach den Hintermännern der Tat auszublenden. Wenn mit der Präsentation der Vollstrecker der Fall zu den Akten gelegt wird, dann hat nicht die Gerechtigkeit gesiegt, sondern lediglich die Statistik. (André Ballin, DER STANDARD, 25.7.2013)