Wien - Vielleicht könnte man ja manchem Fotografen einfach so kommen und sagen: "Geh, fotografier doch bitte die Peripherie." Bei Didi Sattmann geht das nicht. Nicht so einfach jedenfalls. Denn zuerst muss einmal geklärt werden, was eigentlich Peripherie ist. Wer drinnen und wer draußen ist. Wer dazugehört und wer nicht. Und sind nicht vielleicht die Zwischenräume zwischen Klischee und Alltag, die Gesellschaftsritzen zwischen feudalem und touristischem Wien auch Peripherie? Oder zumindest interessanter?

Während er sich all das fragte, nahm Didi Sattmann vorsichtshalber auch den Fotoapparat mit. Und so entstanden außerhalb des Gürtels und jenseits der Donau an die 6000 Fotos, ein kleiner Teil davon ist derzeit unter dem Titel Wien außen im Wien-Museum ausgestellt - ausgewählt von den Kuratoren Susanne Winkler, Rainer Iglar und Michael Mauracher.

In der Tat ist Didi Sattmann ein geradezu genialer Zeitbeobachter, einer, der kein fettes Geld damit verdient, dass er schauen und erkennen kann, der kein Kapital aus Freundschaften mit Künstlern und Schauspielern, den Architekten und Literaten schlägt, die er kennt und die er fotografiert hat, meist schwarz-weiß. Und mit Humor: Elfriede Jelinek oder Helmut Qualtinger. Franz West. Arnulf Rainer. Lüpertz. Und noch mehr.

Und nun also seine über vier Jahre entstandenen Stadtgeschichten, eine Auftragsarbeit des Museums, die vor allem eines dokumentiert: Peripherie. So wie Didi Sattmann sie versteht, kann sie auch in unserer mittigsten Mitte sein. Etwa Menschen mit speziellen Bedürfnissen, wie ein Gästebuchschreiber Sattmanns Zuordnung als "Behinderte" korrigiert. Doch Sattmann sagt, weniger der Begriff ist das Problem als der Umgang mit den Menschen: Er selbst ist seit Kindertagen schwer hörgeschädigt. Wie es ist, am Rand zu stehen, weil man in der Mitte nicht dazugehört, erklärte er nicht nur den an einem sozialen Projekt beteiligten Bewohnern im zwölften Bezirk, sondern auch in sehr persönlichen Texten den Ausstellungsbesuchern.

Überhaupt: "Was kann ein Foto, wer garantiert, dass es nicht nachbearbeitet ist, wie sorgfältig ist die Beschriftung und Zuordnung?", das ist konzeptuell wichtig für Sattmann. Er will den Menschen "auf Augenhöhe begegnen", sagt er. Also zieht er sich am Nacktbadestrand auch selbst aus. Denn "wer fotografiert, wird zum Täter. Es ist aber ein großer Unterschied, ob der Fotograf seinen Motiven nachjagt. Ein Bild schießen wollte ich nie: Denn Schießen würde ja heißen, dass es Opfer gibt."

Sattmanns Bilder erzählen viel über Stadtplanung und zerstörte Existenzen, über große und kleine Schicksale, über die Seestadt Aspern und die Würstelstandbetreiberin, die dank ausufernder Bautätigkeit ihre Kunden verlor. Er erzählt über türkische Hochzeiten und seine Unsicherheit, weil er die Riten nicht kannte; über den Zauber der Schrebergärtnerei und die Poesie des Fliegenfischens, über das kleine Glück des Urban Gardening und das abenteuerliche Seiltanzen vulgo Slacklining über die Donau. Wien außen ist ein Stadtbild voller erstaunlicher Perspektiven, voller Sprünge und Kratzer. Und jedenfalls: wert zu entdecken. (Andrea Schurian, DER STANDARD, 31.7.2013)

Bis 8.9.2013

2./22. Bezirk, Reichsbrücke, 2010

Foto: Didi Sattmann/Wien Museum

23. Bezirk, Halban-Kurz-Straße / Briefzentrum Wien, 2012

Foto: Didi Sattmann/Wien Museum

23. Bezirk, Wohnpark Alt-Erlaa, 2011

Foto: Didi Sattmann/Wien Museum

2. Bezirk, Hafenzufahrtsstraße / Wagenplatz, 2009

Foto: Didi Sattmann/Wien Museum

16. Bezirk, Yppenplatz, 2009

Foto: Didi Sattmann/Wien Museum

22. Bezirk, Kruisgasse / Gewächshaus Ableitinger, 2012

Foto: Didi Sattmann/Wien Museum

22. Bezirk, Aspern / Projekt Seestadt, 2010

Foto: Didi Sattmann/Wien Museum