Thomas Pock: Start-Preisträger und vierfacher Vater.

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Das große Vorbild ist und bleibt der Mensch. "Unser visuelles System zieht selbst aus einem Minimum an Informationen die richtigen Schlüsse, sodass man etwa auch bei Dunkelheit und Regen einigermaßen sicher ein Auto lenken kann", sagt Thomas Pock vom Institut für Maschinelles Sehen und Darstellen der TU Graz.

Voraussetzung dafür ist das im menschlichen Gehirn gespeicherte Vorwissen, das auch aus dürftigen visuellen Hinweisen ein korrektes Bild entstehen lässt. Damit kann kein Computersystem konkurrieren, auch wenn die aktuellen Geräte von hochauflösenden Digitalkameras bis zu medizinischen Scannern mittlerweile Bilder liefern, die vor einigen Jahren noch undenkbar waren.

Um die "Computer Vision" dem menschlichen Sehapparat noch mehr anzunähern, will Pock das beim natürlichen Sehen maßgebliche "Vorwissen" in mathematische Modelle codieren. "Damit wir dieses Wissen effizient in die Problemformulierung einbringen können, stellen wir die Aufgabe als mathematisches Optimierungsproblem dar", erläutert der Forscher. "Dabei setzen wir ein sogenanntes Variationsmodell ein, das bewertet, wie sehr eine Lösung dem Vorwissen entspricht und wie gut die beobachteten Daten, also die Bilder, erklärt werden."

Es geht demnach um einen Kompromiss zwischen Vorwissen und Datentreue. Bestehende Variationsmodelle basieren auf relativ einfachen Eigenschaften von Bildern. Für viele praktische Anwendungen - etwa in Fahrsicherheitssystemen oder der medizinischen Bildgebung - sind diese Modelle jedoch zu ungenau. Pock hat sich deshalb zum Ziel gesetzt, deutlich komplexere Variationsmodelle zu entwickeln, die für viele Probleme in der Computer Vision eingesetzt werden können. Ein Forschungsvorhaben, für das der 35-jährige Wissenschafter kürzlich einen der hochdotierten Start-Preise des Wissenschaftsministeriums erhielt.

Ideen auf dem Rennrad

Die besten Ideen für seine mathematischen Modelle ereilen ihn häufig auf seinem Rennrad, wenn er täglich die rund 20 Kilometer zwischen St. Radegund und seinem Grazer Arbeitsplatz zurücklegt. Ob eher auf der 35-minütigen Hinfahrt den Berg hinab oder auf der einstündigen Rückfahrt, ist nicht belegt. Nachgewiesen ist dagegen seine schon früh virulent gewordene Leidenschaft für die Mathematik und den Computer.

Als ihm seine Eltern mit 15 keinen PC kaufen wollten, hat er sich das Programmieren kurzerhand auf einem Taschenrechner beigebracht. Dass er dann nach der mit Auszeichnung bestandenen HTL-Matura Telematik studierte, lag praktisch auf der Hand. Von der Assistentenstelle in Graz ging es dann als Postdoc ans Hausdorffzentrum für Mathematik nach Bonn, seit 2008 hat ihn die TU Graz wieder.

Und wenn es das Schicksal so will, soll es in den nächsten Jahren auch keinen Braindrain mehr geben. Dem Ruf, als Juniorprofessor für Mathematik und Informatik an die Uni Saarbrücken zu kommen, wird er jedenfalls nicht folgen. Zum einen, weil das Grazer Institut eine international geschätzte Hochburg der Bildverarbeitung sei, die er nur ungern verlassen würde. Zum anderen, weil es neben der Wissenschaft auch noch eine andere große Passion im Leben des Thomas Pock gibt: Eine vierköpfige Kinderschar samt Ehefrau, denen es wie dem Papa ziemlich gut in St. Radegund gefällt. (Doris Griesser, DER STANDARD, 31.7.2013)