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Die meisten Daten werden unverschlüsselt verschickt und sind von Geheimdiensten leicht auswertbar.

Foto: Reuters / Pawel Kopczynski

Stell dir vor, wir werden rundum überwacht, doch den meisten ist das wurscht: IT-Profi Joe Pichlmayr gerät selten in Rage, doch die Ignoranz und scheinbare Handlungsunfähigkeit der österreichischen Politik in Sachen US-Abhörskandal treibt ihn auf die Palme. "In Deutschland wird wenigstens noch diskutiert darüber, doch wer kümmert sich hierzulande um das Thema, das elementare Grundrechte verletzt", fragt er verärgert. "Es ist offensichtlich, dass IKT für die Politik kein sexy Thema ist - Datenschutz so scheint es, noch viel weniger."

Irgendwie werde akzeptiert, dass die USA auf uns "aufpassten"

Das Mäntelchen des Schweigens sei dicht ausgebreitet über Informationen darüber, was an Daten an Geheimdienste weitergegeben werde. Doch abgesehen davon könne man ohnehin keiner involvierten Institution mehr glauben. Ob in Deutschland oder Österreich: Irgendwie werde akzeptiert, dass die USA auf uns "aufpassten". Wären es Russland und China, die Europa derart ausspionierten, "der Volkszorn würde hochkochen", ist er überzeugt.

"Das war erst die Spitze des Eisbergs, da kommt noch mehr."

Als Chef der IT-Sicherheitsfirma Ikarus und Vorstandsmitglied des Vereins Cyber Security Austria, hat Pichlmayr tiefe Einblicke in die IT-Sicherheitsnetze des Landes. "Doch wir waren alle baff vor Staunen, mit welcher Härte und in welchem Umfang überwacht wird", sagt er und prognostiziert: "Das war erst die Spitze des Eisbergs, da kommt noch mehr."

"Der russische Geheimdienst FSO will Berichten zufolge einen größeren Posten Schreibmaschinen anschaffen"

Ob und wie man sich noch schützen könne? "Der russische Geheimdienst FSO will Berichten zufolge einen größeren Posten Schreibmaschinen anschaffen", gibt er als Antwort zum Besten. Besonders heikle Dokumente sollen demnach nur auf Papier und nicht mehr elektronisch archiviert werden, um sie zu schützen. Doch für die breite Masse sei das angesichts der Abhängigkeit vom Internet natürlich nicht praktikabel.

Theoretisch könnte die Verschlüsselung über TOR-Knoten, ein Netzwerk zur Anonymisierung von Verbindungsdaten, Datenschnüfflern das Handwerk erschweren. Nachteil: Surfen im Netz werde dabei so langsam, dass es wenig zweckmäßig sei.

Kein massenmarkttaugliches "Produkt"

Fallstrick Bequemlichkeit Hinzu komme, dass TOR (Akronym für The Onion Router) definitiv kein massenmarkttaugliches "Produkt" sei. Ein erster Ansatz, dass Otto Normalverbraucher "abzapfsicherer" seine Daten versenden könnte, wäre ein als fixer Bestandteil etwa in Betriebssystemen oder Applikationen eingebauter "Verschlüsselungsknopf". "Wenn die Masse der Daten intensiv verschlüsselt würde, kann zwar weiterhin abgezapft werden, aber die Auswertung wird dadurch erschwert und flächendeckend nur mit einem vielfachen Aufwand möglich", sagt Pichlmayr. Doch dafür könne er seitens der großen Softwarehersteller, die großteils in den USA ansässig seien, kein Interesse feststellen. Traurige Tatsache heute sei, dass der "normale" Internetnutzer seine Daten unverschlüsselt schicke. "Unsere Bequemlichkeit macht es halt allen einfach: ob den Geheimdiensten oder datensammelnden Unternehmen wie Facebook", stellt er nüchtern fest.

"Der überwiegende Teil unserer IT, die wir nutzen, stammt aus den USA. Von heute auf morgen abdrehen, das geht also nicht."

Gibt es überhaupt einen Ausweg aus dem Dilemma? Kurzfristig wohl nicht", sagt der Sicherheitsexperte. "Der überwiegende Teil unserer IT, die wir nutzen, stammt aus den USA. Von heute auf morgen abdrehen, das geht also nicht." Die EU könnte eine europäische Internetinfrastruktur und eigene Verschlüsselung aufbauen - doch Letzteres wäre sicher auch nicht im Sinne der europäischen Geheimdienste.

"Die Politik will bei diesem Thema nicht hinschauen, denn in den Augen des Staates und der von ihm legitimierten Überwachungsprogramme sind wir Bürger ja alle potenzielle Terroristen", sagt Pichlmayr und verweist auf einen gegenwärtigen Youtube-Hit des Comickünstlers manniac. In dem Video zeichnet dieser den Weg zum Überwachungsstaat und die Risiken, die uns allen daraus entstehen, auf. (Karin Tzschentke, DER STANDARD, 01.08. 2013)