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Alexander S. streitet nicht ab, dass er für den Tod von Natalie D. verantwortlich ist. Aber er habe aus eigener Erfahrung nicht gedacht, dass Liquid Ecstasy tödlich sein könne, sagt er.

Foto: APA/HERBERT PFARRHOFER

Wien - "Sie waren ja in bester Partylaune. Wo soll da sein Motiv sein, sie vorsätzlich zu verletzen?", bedient sich Verteidiger Herbert Eichenseder jugendlicher Sprache. Mit der er Ankläger Gerd Hermann widerspricht, der Alex­ander S. Körperverletzung mit tödlichem Ausgang vorwirft – ein Vorsatzdelikt also.

Es geht um den Morgen des 1. April, an dem die 27-jährige Natalie D. eine tödliche Dosis Felgenreiniger getrunken hat. Eine Flüssigkeit, die nicht aus Reinigungs-, sondern aus Rauschzwecken im Auto von S. lag. Butyro-1,4-lacton, abgekürzt GBL, heißt die Substanz, die auch Liquid Ecstasy genannt wird.

Abgefüllt in einer 0,33-Mineralwasserflasche ohne Etikett. "Für diese Schlamperei muss ich jetzt geradestehen", sagt der 36-jährige Angeklagte zum Schöffengericht unter Vorsitz von Hannelore Pilz. "Diese Schlamperei, wie Sie es nennen, ist, dass ein Mensch gestorben ist", antwortet Pilz streng. Sie lässt sich die Sache ausführlich erklären, während sie sich mit einer Aktenmappe in dem stickig-heißen Saal im Wiener Landesgericht Luft zufächelt.

"Ich habe gegen fünf Uhr Früh die Anna in einer Disco getroffen, die Natalie war auch dabei", beginnt S. zu erzählen. "Wir haben dann in Erwägung gezogen, die Location zu wechseln." Die beiden jungen Frauen, der Angeklagte und sein Freund nahmen also das Auto von S., um in die Wiener Innenstadt zu fahren.

Weit kam man nicht. Kurz nach der Abfahrt bot der siebenfach einschlägig Vorbestrafte der Gruppe Speed an. Womit möglicherweise das Unglück schon begann, wie der Sachverständige Günther Gmeiner in seinem Gutachten ausführt: "Das Speed sorgt für Durstgefühl", referiert er.

Tatsächlich wollte Natalie D. etwas zu trinken. Was dann genau passierte, ist unklar. S. sagt, er wusste, dass hinten irgendwo Fruchtsaft sein müsse. "Ich habe gesagt, dass am Rücksitz etwas liegt", erklärt er. Die Freundin des Opfers, Anna G., will dagegen gehört haben, dass er "im Rucksack ist etwas" gesagt hat.

Fix ist, dass dort die GBL-Flasche verstaut war. "Warum war die eigentlich in einer Mineralwasserflasche?", will Pilz wissen. "Ein Freund hat es im Internet bestellt, und wir haben es in seiner Wohnung aufgeteilt", antwortet S.

Das Opfer nahm einen Schluck und fragte sofort, was das sei. Mit Entsetzen erkannte S., was passiert war, hielt an, die junge Frau versuchte, sich zu übergeben. Leider erfolglos. Das Quartett setzte die Fahrt fort, irgendwann schlief D. ein. Schließlich fuhr man zur Wohnung von Anna G., die beiden Männer mussten D. hinauftragen. Dort entdeckte die Gruppe, dass das Opfer keinen Puls mehr hatte, und rief die Rettung. Fünf Tage später starb D. im Spital an den Folgen der Atemlähmung.

"Warum sind Sie nicht gleich in ein Spital gefahren?", fragt Pilz. "Ich wusste nicht, dass man an GBL sterben kann. Ich habe selber schon zweimal zu viel genommen, nach eineinhalb Stunden bin ich dann wieder aufgewacht." Laut Sachverständigen hätte es ohnehin keine Rolle gespielt – die Dosis war so hoch, "dass sie auch im Krankenhaus nur schwer eine Überlebenschance gehabt hätte".

Nach einer halben Stunde fällt das Gericht das, nicht rechtskräftige, Urteil: zwei Jahre unbedingte Haft wegen fahrlässiger Körperverletzung mit Todesfolge. "Es war ein tragischer Unfall, es gibt einfach keinen Hinweis auf einen Vorsatz", begründet Pilz. (Michael Möseneder/DER STANDARD, 2.8.2013)