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Menschen wie Muttern würden am liebsten den ganzen Tag mit einer sich selbst befüllenden Gießkanne die Erde benetzen.

Foto: David Ebener dpa/lby

Jeder hat so seinen Tick. Da gibt es Menschen, die können stundenlang schweigend vor einer Clematis stehen und diese durch Blicke lenken. Andere wieder entfernen ständig beinah Verblühtes. Sie können leicht angegilbte Blütenblätter nicht ertragen, bekommen die Freisen beim Anblick angeknabberter Funkienblätter und bewahren den Garten in oberflächlicher Perfektion. Und dann ist da noch Muttern.

Muttern drückt bei jeder sich bietenden Gelegenheit ihren hygrosensiblen Zeigefinger ins Erdreich, lässt einen Seufzer los und schüttelt besorgt den Kopf: "Viel zu trocken, da gehört dringend gegossen." Menschen wie Muttern würden am liebsten den ganzen Tag mit einer sich selbst befüllenden Gießkanne bei nur leisestem Verdacht die Erde benetzen.

Benetzen? Einwascheln ist der Fachterminus dafür, der in Wahrheit beschreibt, wie man durch intensives Gießen das Erdreich fortschwemmt, verdichtet oder gar zum Faulen bringt. "Da gehört dringend gegossen!" Hat sie recht? Bedingt. Oftmals hängen untertags und speziell zur Nachmittagshitze die Pflanzen lasch in ihren Beeten herum, nicht viel anders als die Gartlerinnen selbst. Sie lassen die Köpfchen hängen und vermitteln nicht gerade pralle Vitalität. Wozu auch? Müssen eh keinen Berg besteigen.

Gießzwang-Theraphie

Während also oberirdisch und gut bejammerbar - "Da gehört dringend gegossen!" - die Pflanzen optisch leiden, strecken sie unterirdisch entsprechend ihre Fühler aus, bohren in noch tiefere Regionen, um dort Feuchtigkeit zu finden und mitsamt den darin gelösten Nährstoffen gierig saugend aufzunehmen. Und dass im Erdreich genug Feuchtigkeit gespeichert ist, merkt jeder Gartler zeitig am Morgen, wenn er barfuß über die nasse Wiese hin zur Latrine an Nachbars Zaun huscht. Gelassenheit gegenüber circadianer Feuchtigkeitsversorgung der Pflanzen ist also angebracht.

Um im Rahmen einer Therapie gegen den Gießzwang Erfolge zu erzielen, empfehlen erfahrene Coaches sinnvolles Umorientieren des imperativen Handelns hin zum Mulchen und Aufkramperln der Erde. Mulchen gehört sowieso zu den schönsten Tätigkeiten im August.

Am besten zeitig am Morgen, da die Erde noch feucht ist, zieht man Wildkraut für Wildkraut mitsamt den Wurzeln aus den Gemüsebeeten und Rabatten und lässt es dort liegen, wo es gerupft ward. Dort vertrocknet es elendiglich, beschattet dabei aber den Boden und schützt ihn wie ein Teppich vor Verdunstung durch direkte Sonneneinstrahlung.

Gehet hin und mulchet!

Auch die kleinen Haxeltiere und Würmer sind darob dankbar, für sie bedeutet eine dicke Schicht Mulch Futter, Schatten und Kühle. Und für die Rotkehlchen bedeutet eine dicke Schicht Mulch massenhaft Haxeltiere und Würmer frei Haus - es ist angerichtet! Also jeder hat etwas davon, da spricht absolut nix dagegen. Gehet hin und mulchet!

Aber auch das Aufkramperln hilft: Zweimal Kramperln ersetzt einmal Gießen. Das, so meinen ausgeschlafene Auskenner, liege daran, dass durch das Aufbrechen der Bodenoberfläche die direkten Erdverbindungen in die tieferen Regionen gekappt würden, wodurch der Sog hin zur trockenen Oberfläche unterbunden wäre.

Fauma & Flora stellten jedoch im Rahmen des Kongresses "Keine Witze über Hitze" in Charlottenburg die kritische Frage, ob denn dadurch die Oberfläche als Angriffsfläche für die einstrahlende Sonne nicht dramatisch vergrößert würde, wodurch das Austrocknen erleichtert wäre. Die GartlerInnengemeinde wartet seither gespannt auf Antworten. (Gregor Fauma, Rondo, DER STANDARD, 09.08.2013)