"Flowers" von Andy Warhol (Acryl, 1964) war für 1,15 Millionen Dollar zu erwerben, zuzüglich 350 Dollar Versandkosten. "Usually ships within 6 to 10 days". 

Foto: Amazon Art

Für Unentschlossene ist auch ein Serviervorschlag beigefügt - eine Darstellung "In Room".

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Keine "In Room"-Visualisierung braucht "Horse" von Graciela Montich (2012, 150x80 cm, 4.500 Dollar). Es ist auch in pink, beige und weiß erhältlich - das Suchkriterium "Color" kann behilflich sein.

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Wien - "Warhol wäre entzückt gewesen", postet Claude Reich, ein Kunstbuch-Sammler aus Paris. Eine Arbeit von Andy Warhol auf dieser Plattform zu verkaufen sei eine "ultimative Warhol'sche Geste", schwärmt er und mutmaßt: "Er hätte es sogar gekauft ..."

Nun ist es wenig wahrscheinlich, dass Warhol posthum diesen ersten Millionendeal auf Amazon Art getätigt hätte, fix ist vielmehr, dass dessen rote Blümchen bereits am dritten Tag nach dem Launch des Kunstportals des Internetriesen von jemandem "in den Einkaufswagen gelegt" wurden. 1,15 Millionen Dollar (rd. 862.000 Euro) waren an der Kasse für die Arbeit aus dessen Flowers-Serie (1964) zu berappen; 350 Dollar Versand sind dabei vergleichsweise läppisch.

Aber bestätigt dieser profitable Verkauf (bei dem Amazon je nach Vereinbarung mit fünf bis 20 Prozent mitnascht) bereits die hehre Idee, der neue Marktplatz (eine prägnante URL fehlt ihr noch) würde jedem den Zugang zu bildender Kunst an den eigenen vier Wänden ermöglichen? Ja und Nein. Schließlich mangelt es bei Warhol meist weniger an Bewunderern denn an flüssigem Kapital.

Die Schwelle zur Kunst, sie ist bei Amazon im Vergleich zu ähnlichen Plattformen wie Artspace, Artnet oder Artport tatsächlich sehr tief. Das verrät die Seite nach wenigen Klicks: Neben den Featured Artists Warhol, Damien Hirst, Marc Chagall und Salvador Dalí ist bei "Artists you know" das Geld sicher nicht verkehrt angelegt. Man kann nach Stillleben, Landschaften oder Tieren suchen und dort etwa auf das wilde Pferd von Graciela Montich stoßen. Posterkitsch im Format 150 x 80 Zentimeter, das - die Farbsuche macht's möglich - auch in Pink, Beige und Weiß über Schlafzimmerwände galoppieren könnte.

Vielleicht klopft das Herz auch für "gestohlene Augenblicke", oder "soziale Themen". Mit Stilperioden ist man nicht so pingelig: "Mittelalterlich und gotisch" kann auch im 21. Jahrhundert entstanden sein. Mit seriöser Auseinandersetzung, die reines Gefallen übersteigt, hat das wenig zu tun. Neben den sinnlichen Qualitäten, die auch bei Pixelformaten wie der zweimal gefloppten VIP Artfair oder der Online Biennale vermisst wurden, lässt Amazon Art es an professionellen Kategorien und Kontexten fehlen. Abseits der großen Namen ist die Qualität fragwürdig. Welche achtbare Galerie würde in diesem Gemischtwarenladen verkaufen wollen und dabei ihren guten Ruf gefährden? (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD, 12.8.2013)