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Was interessiert diesen Mann? Die Analysten der Textilkette American Apparel, zu der dieser Shop in Santa Monica in Kalifornien gehört, wissen es dank WLAN und Smartphone schon vor dem Kunden.

Foto: ap/Reed Saxon

Wohin wendet sich König Kunde, wenn er ein Warenhaus betritt? Steuert er direkt auf die Schuhregale zu, oder schlendert er erst noch gelassen durch die Gänge mit den Parfumvitrinen? Wie lange wägt er ab, bevor er sich zum Kauf entschließt? Kommt er wieder, und wenn, dann wie oft?

"Wir versuchen, aus Bewegungen im Ambiente real existierender Kaufhäuser belastbare Schlüsse zu ziehen", wirbt die kalifornische Hightechfirma Retailnext ein wenig sperrig für ihre Dienste. Im Klartext heißt das, um es anhand eines Beispiels zu illustrieren: Hält sich der statistisch ermittelte Durchschnittsmann nur sechzig Sekunden in der Abteilung für Herrenmäntel auf, ist man gut beraten, die Abteilung für Herrenmäntel räumlich aufs Wesentliche zu reduzieren.

Verfolgung via WLAN

Warenhäuser wie Macy's, Modeketten wie Benetton und American Apparel oder auch Cabela's, spezialisiert auf das Ausrüsten von Anglern und Jägern, nutzen neue Technologien, um das Verhalten ihrer Konsumenten zu erforschen. Wobei das Handy, genauer, das Smartphone, das heutzutage rund 60 Prozent aller Amerikaner bei sich tragen, ein unentbehrliches Hilfsmittel ist. Sobald sich ein solches Gerät ins lokale WLAN-Netz einloggt, erscheint sein Besitzer als kleiner grüner Kreis auf einem Bildschirm, fast wie auf dem Radar eines Flughafen-Kontrollturms. Anhand der Handysignale kann man ihm auf seinem Weg durch die Shopping-Mall auf den Fersen bleiben, und da jedes Telefon sein eigenes, unverwechselbares Signal aussendet, wissen die Analysten, ob es sich um einen neuen Kunden handelt oder um einen, der schon öfter da war.

Noch einen Schritt weiter geht Nomi, ein Start-up-Unternehmen aus New York. Es reicht, dass jemand die App eines Kaufhauses heruntergeladen oder seine E-Mail-Adresse hinterlassen hat, um ein persönliches Profil zu erstellen. Bei Nomi fassen Rechner zusammen, wie oft er dieses oder jenes Geschäft besuchte, welche Waren er online bestellte und wann. Die Folge sind Angebote, die exakt auf die Zielperson zugeschnitten sind, und zwar genau in dem Augenblick, in dem sie mit dem Shoppen beginnt. Corey Capasso, der Chef von Nomi, schildert es in der New York Times so: "Ich also rein zu Macy's, bei Macy's wissen sie, dass ich da bin, worauf sie mir im nächsten Moment persönliche Empfehlungen auf mein Smartphone beamen." Oder: "Wenn ich zwanzig Minuten zwischen den Schuhregalen verbringe, heißt das, dass ich mich für Schuhe interessiere." Was nach Capassos Worten zur Folge hat, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Rabatt-Coupon für Schuhe auf dem Handy des Umworbenen landet.

Reaktion auf Online-Shops

Begonnen hat es bereits im vergangenen Herbst, als Nordstrom, eine Kette der gehobenen Preisklasse, mit der WLAN-Methode experimentierte. Im Mai bekam die Öffentlichkeit Wind davon, worauf es Proteste hagelte und Nordstrom, bedacht auf sein eher vornehmes Image, den Feldversuch abbrechen musste. Manche Konkurrenten indes machen ungerührt weiter, mit dem Argument, dass sie nur das tun, was bei Online-Shoppingportalen längst üblich sei. Läden aus Glas und Beton, verteidigen sie sich, könnten es auf Dauer nicht hinnehmen, dass sie gegenüber Amazon & Co ins Hintertreffen geraten. Doch während Normalverbraucher mit den Datensammlern der virtuellen Kaufwelt kaum Probleme zu haben scheinen, stößt die Überwachung in der realen auf heftigen Widerstand. "Bei Amazon wissen sie nicht, wer du wirklich bist, im Laden dagegen haben sie dich direkt im Visier", versucht Robert Plant, Experte für Computernetzwerke an der University of Miami, das Phänomen zu erklären. "Die Vorstellung, dass dir jemand hinterherschleicht, den du nicht sehen kannst – das hat schon etwas Gruseliges." (Frank Herrmann aus Washington, DER STANDARD, 12.8.2013)