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Mädchen und Buben können, müssen sich aber nicht pieksen lassen.

Foto: ap/Charles Buchanan

Wien - Das kostenlose nationale Kinderimpfprogramm Österreichs wird um eine weitere Stufe ausgebaut: Wie Gesundheitsminister Alois Stöger von der SPÖ am Montag bei einer Pressekonferenz in Wien bekannt gab, können sich Kinder ab dem vollendeten neunten Lebensjahr mit Februar 2014 im Rahmen des Schulimpfprogrammes in der vierten Klasse Volksschule gratis gegen HPV (Humane Papilloma-Viren) immunisieren lassen. "Wir werden damit Leben retten", ist der Ressortleiter überzeugt.

Humane Papilloma-Viren (HPV) sind eine Gruppe von Viren, die die menschliche Haut- und Schleimhautzellen infizieren und dabei gutartige warzenähnliche Hautveränderungen, aber auch Karzinome, verursachen können. Einige HPV-Typen, die durch direkten körperlichen Kontakt, wie etwa beim Geschlechtsverkehr übertragen werden, gelten als Ursache für die Entwicklung bösartiger Tumore. "Darunter Krebsformen im HNO- und Genitalbereich sowie der häufig genannte Gebärmutterhalskrebs", so Pamela Rendi-Wagner, Sektionschefin für Öffentliche Gesundheit im Gesundheitsministerium.

Für Mädchen und Buben

Als erstes Land in Europa wird die Gratis-Impfung in Österreich sowohl für Mädchen als auch für Buben angeboten werden. "Dass die HPV-Impfung eine reine Frauen-Impfung ist, ist längst überholt. Frauen und Männer erkranken gleichermaßen und müssen daher auch gleich geschützt werden", meinte Stöger. Rund um die HPV-Impfung - speziell um deren Finanzierung - hat es seit vielen Jahren heftige Diskussionen in Österreich gegeben. Während Österreich ehemals in einer Vorreiterrolle bei der Empfehlung der Immunisierung war, zögerte man sehr lang mit der Finanzierung durch die öffentliche Hand.

Empfehlung des Obersten Sanitätsrats

Vor neun Monaten hieß es im Büro des Gesundheitsministers, dass die HPV-Impfung nicht auf der Prioritätenliste des Minsiters stehe - außerdem kritisierte Stöger in den vergangenen Jahren die hohe Profitrate der Pharmaindustrie beim HPV-Impfstoff immer wieder. Wie kam es also zu diesem Sinneswandel? Die Empfehlung des Obersten Sanitätsrats und die Zusage der Pharmaindustrie, die eigentlich dreiteilige auf eine zweiteilige Impfung zu reduzieren und damit auch den Preis zu senken, seien für den Minister ausschlaggebend gewesen, die Impfung in den Nationalen Impfplan zu stellen, heißt es auf Nachfrage von dieStandard.at aus dem Büro des Ministers.

Doch der Preis, um den die Republik den Impfstoff kaufen wird, bleibt vorerst geheim: Aus verhandlungstaktischen Gründen wolle man den Preis nicht kommentieren. Relevant für die Entscheidung sei jedenfalls auch die inzwischen bestehende Langzeitstudie gewesen: Diese würden eine 100-prozentige Wirksamkeit bei den vier häufigsten HPV-Typen nachweisen. 

Erfreute KooperationspartnerInnen

Hoch erfreut über die Präventionsmaßnahme zeigte sich der Präsident der österreichischen Krebshilfe, der Wiener Gynäkologe Paul Sevelda: "Das ist die wichtigste gesundheitspolitische Entscheidung seit der Einführung des Mutter-Kind-Passes". Die Krebshilfe hat schon seit längerer Zeit die Aufnahme der HPV-Immunisierung in den nationalen Impfplan gefordert. Jährlich gebe es in Österreich 60.000 auffällige Krebsabstriche (Verdacht auf Gebärmutterhalskrebs oder Vorstufen dazu) - aufgrund der Immunisierung rechnete der Experte mit einem Rückgang in den kommenden Jahren. Die Impfung ersetze aber keinesfalls den jährlich empfohlenen Krebsabstrich für Frauen.

Der Mediziner unterstrich auch, dass es keinerlei bedrohlichen Nebenwirkungen bei der Impfung gebe. Lediglich unmittelbar danach könne es zu erhöhter Temperatur kommen. Angeboten wird die Impfung ab 2014 für Kinder der jeweiligen vierten Klasse Volksschule. Die Immunisierung erfolgt in zwei Dosen, eine weitere Auffrischung ist nach derzeitigem Stand der Wissenschaft Sevelda zufolge nicht nötig. Die Kosten trägt zu zwei Drittel der Bund, jeweils ein Sechstel tragen Bundesländer und der Hauptverband der Sozialversicherungsträger.

Kritik aus Graz und Japan

Kritik am Impfstoff kam auch immer wieder aus Graz: Das Frauengesundheitszentrum spricht sich seit jeher gegen den Impfstoff aus, zumal die Kosten-Nutzenrechnung nicht für den Impfstoff spreche. "Die Dauer des wirklichen Nutzens und somit auch der Schutz der von den Impfstoff-Herstellern versprochen wird, steht noch nicht fest, ist also wissenschaftlich derzeit nicht belegt", warnt Sylvia Groth zuletzt im Herbst 2012. Das Frauengesundheitszentrum Graz ist mit der Kritik aber nicht allein: Neben dem Ludwig-Boltzmann-Institut hat im Juni auch die japanische Regierung die Empfehlung zur HPV-Impfung überraschend zurückgezogen. Diese Entscheidung sei das Ergebnis längerer Beratungen, hieß es Mitte Juni, nachdem den Behörden mehrere Fälle von schweren Nebenwirkungen bei geimpften Mädchen gemeldet wurden. (APA, red, dieStandard.at, 12.8.2013)