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Ein Wildkaninchen hoppelt unbehelligt vor sich hin - darum ist der Schwanz auch nicht aufgestellt.

Foto: AP Photo/The Sun, LaFonzo Rachal Carter

Göttingen - Sie trägt Bezeichnungen wie "Lampe", "Spiegel" oder "Blume", und diese Benennungen allein zeigen schon, dass die Fellzeichnung am Schwanz mancher Säugetiere ungewöhnlich auffällig ist. Selbst wenn Hasen oder Rehe auf schnelles Flüchten angelegt sind, ist Davonlaufen doch das letzte Mittel - besser sollte es eigentlich sein, eine möglichst gute Rundum-Tarnung aufzuweisen und dadurch gar nicht erst flüchten zu müssen.

Warum hat der Hase also einen weißen Fleck auf der Unterseite des Schwanzes und präsentiert diese "Lampe" (was ursprünglich von "Lamprecht" kommt und erst später auf die Fellfarbe bezogen wurde) sogar noch extra, indem er beim Davonlaufen den Schwanz in die Höhe reckt? Diese Frage hat sich der auch deutsche Evolutionsbiologe Dirk Semmann von der Universität Göttingen gestellt, nachdem er einen Hasen beim Laufen beobachtet hatte.

Möglicher Nutzen

Erklärungen für eine solche Fellfärbung gibt es verschiedene und möglicherweise erfüllt sie auch von Spezies zu Spezies verschiedene Funktionen. Beim "Spiegel" von Huftieren, die in Gruppen leben, gilt es als belegt, dass die Tiere damit ihren Artgenossen Gefahr signalisieren. Sexuelle Selektion gilt als weitere mögliche Erklärung. Bei Hasentieren hingegen glaubt Semmann einen eher individuellen Überlebenstrick ausgemacht zu haben, wie das Wissenschaftsmagazin "Nature" berichtet.

Semmann glaubt, dass die Lampe eines vor einem Raubtier davonlaufenden Hasen die Aufmerksamkeit des Verfolgers auf sich zieht - mehr als der übrige Körper. Wenn der Hase dann einen Haken schlägt, ist dieser Fokuspunkt plötzlich weg. In der kurzen Zeit, die der Verfolger braucht, um sich neu zu orientieren, hat der Hase an Land gewonnen - selbst Sekundenbruchteile können über Leben oder Tod entscheiden.

Das Experiment

Um zu sehen, ob seine Hypothese auf Tatsachen beruhen könnte, hat Semmann anschließend ein Experiment durchgeführt. Er ließ 24 Menschen in einem Videospiel einen simulierten Hasen verfolgen. In den "Hasen" war ein Kreis integriert, der entweder mit der Hintergrundfarbe ausgefüllt oder weiß war - letzteres sollte die Lampe simulieren. Tatsächlich zeigte sich, dass die Vesuchsteilnehmer den Bewegungen des Hasen nicht so rasch folgen konnten, wenn der Kreis weiß war (und bei einer Seitwärtsbewegung dann verschwand).

Semmann, der seine Hypothese auf der Ethologen-Konferenz "Behaviour 2013" im britischen Newcastle vorstellte, glaubt daher, dass die Lampe gerade wegen ihrer Auffälligkeit die Überlebenschancen des Hasen erhöht. (jdo, derStandard.at, 17. 8. 2013)