Wahlumfragen messen die politische Stimmung. Wie wir aber alle nur allzu gut wissen, können sie sich auch irren. Das ist an und für sich nicht schlimm, nur muss für uns Wahlumfragen-Konsumenten klar sein, wie sehr sie sich irren können. Darum berechnet wahlfang.at täglich die Schwankungsbreite, das heißt den Fehler, von dem wir getrost (95 Prozent) annehmen können, dass er nicht überschritten wird. Hier ein Beispiel:

Foto: derstandard.at

Wenn wir am 21. August behaupten, die SPÖ liegt bei 27,1 Prozent mit einer Schwankungsbreite von 3,2 Prozentpunkten, dann bedeutet das, die SPÖ käme bei einer hypothetischen Wahl am 21. August am wahrscheinlichsten auf 27,1 Prozent und zu 95 Prozent auf ein Ergebnis zwischen 23,9 und 30,3 Prozent.

Was die Schwankungsbreite beeinflusst

Vier Faktoren tragen zur Schwankungsbreite einer Umfrage bei. Über jeden werden wir separat berichten.

1. Die Anzahl der befragten Personen: Je mehr Leute befragt wurden, desto genauer sind die Ergebnisse.
2. Das Alter der Umfrage: Wollen wir die politische Stimmung heute kennen, so ist die gestrige Umfrage aussagekräftiger als jene des Vormonats.
3. Das durchführende Institut: Wenn man die beiden ersten Faktoren berücksichtigt, liegen manche Meinungsforschungsinstitute näher am Wahlergebnis als andere.
4. Die Methodik der Umfragen: Diese führt zu Abweichungen, die von keinem der drei anderen Faktoren abhängen.

Was man sich konkret unter Schwankungsbreite vorstellen soll, zeigt ein Beispiel vom Skifahren: Ich stehe mit meiner Plastikarmbanduhr in Kitzbühel am Fuß der Streif und möchte das Abfahrtsrennen stoppen. Auf den Bildschirmen sehe ich, wann die Läufer das Starthäuschen verlassen, und merke mir die Zeit. Wenn sie vor mir über die Ziellinie schießen, schaue ich erneut auf die Uhr – eine kleine Subtraktion, und ich kenne eine ungefähre Laufzeit.

Mit meiner kleinen Uhr ist es mir unmöglich, die Zeiten von Klaus Kröll und Aksel-Lund Svindal zu unterscheiden. Allzu viele Fehler könnten mir unterlaufen: Beim Beobachten des Starts und der Ankunft, beim zweifachen Ablesen der Zeit, vielleicht sogar bei der Subtraktion. Besonders schwer fällt dabei ins Gewicht, dass meine Uhr nur Sekunden-Markierungen hat und ich also beim Stoppen zweimal auf die nächste Sekunde auf- oder abrunden muss.

Sie vertrauen dieser Messtechnik nicht, weil sie bewusst oder unbewusst an die Schwankungsbreite denken. Mit meiner Armbanduhr kann ich die Laufzeiten "auf ein paar Sekunden genau" messen – die paar Hundertstelsekunden, die den Sieger vom Zweitgereihten trennen, werden mir jedoch entgehen.

Nehmen wir an, ich würde mein etwas befremdliches Experiment ein paar hundert Mal durchführen und die von mir gemessene jeweils mit der offiziellen Laufzeit vergleichen. Ich würde diese manchmal über- und manchmal unterschätzen. Meistens wäre ich zwei bis drei Sekunden vom echten Ergebnis entfernt, ab und zu käme ich aus reinem Zufall auf weniger als eine Sekunde. Manchmal hätte ich auch Pech und würde mich um mehr als zehn Sekunden irren. Um wie viel ich falsch liege, weiß ich nicht, nur so viel: In 95 Prozent der Fälle irre ich mich um weniger als vier Sekunden. In diesem Fall beträgt die Schwankungsbreite meiner Messung vier Sekunden.

Das heißt, ich kann mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit (95 Prozent) annehmen, die echte Laufzeit sei weniger als vier Sekunden von der meinen entfernt. (Laurent Millischer, derStandard.at, 22.8.2013)