Das Knie ist häufig von Arthrose betroffen.

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Der menschliche Körper ist zwar gut erforscht, doch bei der Entstehung von Krankheiten gibt es noch viele Rätsel. Stefan Nehrer hat eines davon zu seinem Forschungsschwerpunkt gemacht. Er leistet Pionierarbeit auf dem Gebiet der Gelenksabnützung.

Bisher gilt die Gelenksabnützungskrankheit Arthrose als kaum therapierbar. Zumeist wird sie nur symptomatisch mit Schmerzmitteln behandelt, "doch die Abnützung geht weiter", sagt Nehrer. Ist das Gelenk völlig abgerieben, wird ein künstliches eingesetzt. Er will die Arthrose nicht nur symptomatisch, sondern "kausal" behandeln, also ihre Ursachen verstehen.

Der Grund für die mangelnde Therapiefähigkeit liegt in der komplexen Entstehungsgeschichte der Krankheit. Den Gelenksschmerzen geht meist ein jahrelanger Abnützungsprozess der Knorpel voraus. Da die Knorpel keine Nerven haben, entsteht dabei kein Schmerz. Weh tut es erst, wenn dadurch Entzündungen entstehen, die die Abnützung noch verstärken, bis schließlich Knochen auf Knochen reiben. Nehrers Forschungsarbeit beschäftigt sich damit, wie der Prozess, der in letzter Folge zur Arthrose führt, entsteht, beeinflusst, vielleicht sogar gestoppt werden kann.

Besondere Aufmerksamkeit legt er dabei auf die Knorpel. Da er über keine Blutgefäße verfügt, ist das Um und Auf für jeden Knorpel Bewegung. Durch die Belastung und Entlastung wird eine Flüssigkeit freigesetzt, sie wirkt wie ein Schmiermittel.

Ein wichtiger Bestandteil dieser Flüssigkeit ist die sogenannte Hyaluronsäure. Ob das künstliche Einspritzen von Hyaluronsäure zu Therapieerfolgen führen kann, ist eine der Fragen, die Nehrer mit Laborexperimenten beantworten will.

Die größte Herausforderung in der Arthrose-Forschung ist für ihn, "wie Knorpeldefekte rechtzeitig behandelt werden können, noch bevor daraus eine Arthrose wird". Dass noch so wenig über die Krankheit bekannt ist, ist umso überraschender, als die Arthrose im Alter jeden irgendwann betrifft. Unter den 60-Jährigen haben 30 bis 40 Prozent Gelenksabnützungen, unter den 70- bis 80-Jährigen "lässt sich kaum jemand finden, der nicht in irgendeinem Gelenk Arthrose hat - irgendwann kommt jeder dran".

Der Knorpelabrieb, der zu Arthrose führt, lässt sich mit dem Altern nicht aufhalten. Verstärkt wird er nicht nur durch zu wenig Bewegung, sondern vor allem auch durch Übergewicht oder falsche Bewegungen und Verletzungen. Im Gegensatz zum Knochen, der nach Brüchen wieder zusammenwächst, "kann der Knorpel nicht heilen", denn die Knorpelmasse besteht nicht einmal zu fünf Prozent aus Zellen, die sich erneuern könnten. Mittlerweile beschäftigt sich Nehrer seit 20 Jahren mit Gelenksabnützungen. Ursprünglich war er als Sportmediziner tätig, und dabei fiel ihm auf, dass es für die meisten Sportverletzungen wie Kreuzband- oder Meniskusriss Behandlungen gab. "Nicht aber für Knorpelverletzungen, und die können bei Sportlern schon mit 35 Jahren zu Arthrose führen." Er organisierte sich ein Forschungsstipendium für Harvard, 1997 kam er zurück und baute die Knorpelforschung in Österreich auf. Derzeit ist er an der Donau-Uni Krems tätig, wo er die größte Gruppe auf dem Gebiet der Arthroseforschung in Österreich leitet.

Zur Prävention von Arthrose empfiehlt er viel Bewegung, die Reduktion von Übergewicht und nicht zu rauchen. Bei Verletzungen können Orthopäden abschätzen, welche Gelenke von Arthrose gefährdet sind, und geeignete Sportarten empfehlen. Als besonders gelenkschonend gelten Schwimmen, Ski-Langlauf und Radfahren. (Tanja Traxler, DER STANDARD, 28.8.2013)