Routinier Kowalsky (re., George Clooney) und Neuling Dr. Stone (Sandra Bullock) im Freien. 

Foto: Warner Bros. Pictures

Aller Anfang ist schwer. Soeben haben rund 1300 Menschen dicke 3-D-Brillen ausgehändigt bekommen und ihre Plätze in der Vorführhalle eingenommen. Auf der Leinwand ist das Filmbild zweier Astronauten eingefroren, die im All schweben. Über Lautsprecher wird nun aufgefordert zu testen, ob man dieses Bild in 3-D sieht. Sonst sei die Brille defekt, und man möge die Hand heben. Da und dort im Saal geschieht dies. Und dann geschieht erst einmal nichts.

Mit einiger Verzögerung startet schließlich die Presse- und Branchenvorführung von Alfonso Cuarons Gravity, dem diesjährigen Eröffnungsfilm. Sein Schauplatz sind die unendlichen Weiten des Weltraums. Nasa-Mitarbeiter nehmen dort Reparaturen an einem Teleskop vor. Einer heranbrausenden Ladung Weltraumschrott können sie nicht rechtzeitig ausweichen. Schon trudeln die Wissenschafterin Dr. Ryan Stone (Sandra Bullock) und der Nasa-Veteran Matt Kowalsky (George Clooney) selber hilflos durchs All, miteinander nur durch ein Fangseil verbunden.

Das Szenario verspricht aufregende Bilder: Tatsächlich trudelt auch die Kamera zunächst scheinbar schwerelos um die Protagonisten herum. Das Schwebende, die losgelöste Perspektive, der offene Raum bestimmen die Wahrnehmung. Auf den Visieren der bauchigen Raumfahrerhelme gibt es hübsche Reflexionen. Wenn man ins Helm-Innere mitgenommen wird, beschlägt die gekrümmte Scheibe leicht mit dem kurzen Atem von Dr. Stone, die als Weltallneuling zunächst einmal in Panik gerät.

Bald überwiegt beim Zusehen jedoch ein Distanzgefühl. Man bleibt gewissermaßen außen an der Scheibe kleben, auch wenn da ein Satellitenteilchen oder dort ein paar dicke Tränen per 3-D-Effekt in den Zuschauerraum herüberwabern. Cuaron, der so unterschiedliche Filme wie Y tu mama tambien (2001), Harry Potter und der Gefangene von Askaban (2004) und Children of Men (2006) inszenierte und das Drehbuch zu Gravity gemeinsam mit seinem Sohn Jonas geschrieben hat, scheint auf Dauer weniger an den materiellen und physikalischen Aspekten interessiert zu sein. Stattdessen inszeniert er lieber symbolträchtige, pathetische Bilder: Die Verbindungsleine wird zur Nabelschnur - und die Abnabelung schmerzlich. In einer Raumkapsel findet die Menschenfrau in der Stellung eines Embryos kurz (inneren) Frieden. Die Erde betritt man am besten barfuß.

Selbst wenn diese Geschichte die "last frontier" ins All verlegt, geht es nämlich immer noch um große Menschheitsthemen wie Einsamkeit und Angst, Tod und Wiedergeburt. Aber leider hat der Film dazu keine allzu gewichtigen Ideen. Die Figuren werden als (geschlechterrollenkonforme) Stereotype entworfen, Cowboy Clooney und Schussel Sandra. Ihre Dialoge klingen stellenweise wie ein Hörspiel, völlig losgelöst von den wattierten, sanft kreisenden Personen.

Anschließend bei der Pressekonferenz hat uns die Erde wieder: George Clooney freut sich außerordentlich über die Frage, was denn der US-Präsident in Sachen Syrien tun solle - er lässt dies natürlich unbeantwortet. Draußen in der Sonne haben sich seine Fans schon die besten Plätze an der Absperrung des roten Teppichs gesichert. (Isabella Reicher aus Venedig, DER STANDARD, 29.8.2013)