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Weltweit hat der US-Geheimdienst NSA Daten von Millionen Bürgern ausgespäht. In Frankreich hat nun die Justiz reagiert und will Anklage wegen illegaler Datensammlung erheben.

Foto: dpa / Jens Büttner

Die Vorwürfe sind happig: "Illegale Datensammlung mit persönlichem Charakter, Verletzung der Intimität und des Privatlebens, betrügerischer Zutritt zu einem Datensystem sowie Zuwiderhandlung gegen das Briefgeheimnis." Zu diesen vier Tatbeständen hat der französische Staatsanwalt ein Strafverfahren eröffnet, wie in Paris am Donnerstag bekannt wurde.

Es richtet sich vor allem gegen den US-Militärgeheimdienst NSA und die US-Bundespolizei FBI; in zweiter Linie gegen acht IT-Riesen, unter anderem Facebook, Google, Microsoft und Skype. Diese Unternehmen werden von der Justiz verdächtigt, den US-Behörden Zugang zu Daten verschafft, und sich damit der Beihilfe schuldig gemacht zu haben.

Ausgelöst haben das Verfahren die zwei französischen Menschenrechtsverbände FIDH und LDH. Ihnen zufolge wurden in Frankreich Daten millionenfach "abgesaugt", in Deutschland soll es noch um ein Vielfaches mehr sein. Die Kläger zeigten sich am Donnerstag zunächst selbst überrascht, dass ihrer Eingabe stattgegeben wurde.

Frankreich reagiert damit erstmals konkret gegen die Urheber des Überwachungsprogramms Prism. Bisher hatte sich Präsident François Hollande nur verbal über den Lauschangriff beklagt und mit der Sistierung des geplanten Freihandelsabkommens zwischen den USA und der EU gedroht - bisher ohne Folgen.

Richter wird vorgeladen

Die Verfahrenseröffnung dürfte in einem ersten Schritt zu mehreren Einvernahmen führen. Dass die Spitzen von FBI oder NSA der Vorladung eines französischen Richters folgen werden, ist nicht anzunehmen; wohl aber die Chefs von Microsoft France oder Google France; medialer Effekt garantiert.

Im Internet tauchte allerdings auch die Frage auf, warum die beschwerdeführende Menschenrechtsliga und -föderation nicht auch den französischen Geheimdienst DGSE (Direction générale de la Sécurité extérieure) ins Visier nehmen. Dessen Programm erfasst und speichert Telefongespräche, SMS, E-Mails und Internetdaten jahrelang ohne Rechtsgrundlage. Medien sprechen bereits von "Frenchelon" - in Anlehnung an Echelon, das weltweite Spionagenetz, das von Nachrichtendiensten der USA, Großbritanniens, Australiens, Neuseelands und Kanadas betrieben wird.

Im Zuge der Prism-Affäre stellte die Regierung in Paris Anfang August ein Transparenzgesetz vor. Es soll die Kontrollrechte der Parlamentskommissionen gegenüber dem DGSE ausweiten, hatte Hollande erklärt. Davon ist in dem Gesetzestext jetzt aber nichts zu finden. Es erlaubt nicht einmal die Anhörung von DGSE-Agenten durch die zuständigen Ausschüsse des Parlaments, geschweige denn politische Einflussnahme.

Der sozialistische Abgeordnete Jean-Jacques Urvoas kritisierte die "Unfähigkeit der Regierung, die Methoden der Geheimdienste zu überprüfen" - wobei er die französischen Dienste meinte.

Den Industrienationen mit eigenen Militär- oder zumindest Sicherheitsdoktrinen fällt es offensichtlich leichter, das Gebaren anderer als der eigenen Geheimdienste anzuprangern. In Paris verlangt zwar die nationale Datenschutzkommission CNIL Auskunft von der Regierung über ein "allfälliges französisches Programm zur massiven und automatischen Datensammlung, das, wenn es existieren sollte, außerhalb des Rechtsrahmens stehen würde". Allein die vorsichtige Formulierung zu einem Programm, dessen Existenz ein offenes Geheimnis ist und nicht bestritten wird, gibt kaum Hoffnung auf auch nur ansatzweise Klärung. (Stefan Brändle aus Paris, DER STANDARD, 30.08.2013)