Kein Reiseführer, auch kein Tagebuch, schon gar keine Touristeninformation: Der Nobelpreisträger Jose Saramago erzählt dem Leser in seinem jüngsten Werk "Die portugiesische Reise" von seinem Heimatland. Sechs Kapiteln stehen sechs Karten voran, und mit langsamem Schritt durchschreitet "der Reisende" Portugal vom Norden bis in den Süden. Kirchen, Kathedralen und Klöster, aber auch die Landmenschen geben in Saramagos behutsamer Schilderung ihre Geschichten preis.

"Der Reisende bleibt so lange stehen, denn er ist ein Mensch, der die Dinge sorgsam betrachtet." Meditativ und universell wirken Saramagos Beschreibungen. Zwar lässt sich durchaus der genaue Verlauf der langen Reise des heute auf Lanzarote lebenden Saramago verfolgen, doch dieses Buch sei kein "Reiseführer für die Handtasche," wie es schon im Vorwort heißt.

Der Reisende hat dem "endlosen Murmeln des Volkes" gelauscht. Aus dem ländlichen, ärmlichen Norden bringt er die Geschichte eines Soldaten mit, der unschuldig gehängt wurde für einen Mord, den ein Freund begangen hatte, den er nicht verraten wollte. Oder von einer jungen Frau, die mit Zwillingen schwanger war, aber nach der Geburt des ersten Kindes nicht wusste, woher ihre Schmerzen stammten, bis sie am Tag darauf das zweite tot zur Welt brachte.

Einfach sind Saramagos Betrachtungen, seine Haltung fragend und staunend. Es ist sein Heimatland, durch das die Reise geht, "doch weder der Reisende, noch das Land sind dasselbe wie damals." Objektives, Subjektives und Fiktives werden vermischt, selbst von einer Begegnung mit dem Teufel ist die Rede, der sich allerdings zwar "in Szene zu setzen weiß, aber im Grunde ein Feigling ist."

Vom rauen Norden über die Küste und wieder durchs Landesinnere, nach Lissabon und hinunter bis zur Südküste verläuft die Reise. "Er kann unmöglich alles ansehen," berichtet Saramago von dem Reisenden in der dritten Person. Was sein Privatleben betrifft, ist der Reisende "sehr diskret". "Die portugiesische Reise" ist durchaus kein Reisetagebuch des 1922 als Sohn einer Landarbeiterfamilie geborenen Schriftstellers, vielmehr eine Meditation über das Reisen an sich: "Die portugiesische Reise ist eine Geschichte. Die Geschichte einer Reise, die einen Reisenden in sich trägt." (apa)