Karl Stoss, der Präsident des Österreichischen Olympischen Comites (ÖOC), hält (noch nicht) Sitz und Stimme im Internationalen Olympischen Komitee (IOC). Der Vorarlberger weiß aber natürlich recht genau, wie die Olympier ticken, zu denen er sich gesellen könnte, wenn sein nationaler Vorgänger Leo Wallner - spätestens 2016 aus Altersgründen - aus dem 106-köpfigen Gremium ausscheidet.

Stoss hat im STANDARD-Interview zwar lobende Worte für Madrid und Istanbul gefunden, dann aber doch Tokio als leichten Favoriten im Dreikampf um den Zuschlag für die Ausrichtung der Olympischen Sommerspiele 2020 genannt. Die Japaner haben dann auf der IOC-Session in Buenos Aires relativ deutlich in der Stichwahl über Istanbul triumphiert, das den medial aufgebauten Favoriten der Herzen, Madrid, nach ersten Wahlrunde um gerade vier Stimmen distanziert hatte.

Tokio ist eine ökonomische Wahl

Freilich ist Tokio, das die olympische Familie bereits 1964 begrüßt hatte, eine ökonomische Wahl. Japan zählt noch immer zu den Top drei unter den Industriestaaten der Erde und wird sich allen Prognosen nach noch viele Jahre unter den besten fünf halten können. Die Bewerbung protzte bei einem prognostizierten Gesamtbudget von etwas mehr als sieben Milliarden Dollar mit bereits angelegten Geldreserven in Höhe von 4,5 Milliarden - ein Argument, das in olympischen Ohren wie Musik klingt. Da konnten  weder Istanbul noch Madrid mithalten.

Doch den Ausschlag für Tokio dürfte nicht das Geld, dürfte nicht die relativ kompakte Bewerbung mit 80 Prozent der Wettkampfstätten in unmittelbarer Nähe des olympischen Dorfes und auch nicht das Bestreben der Olympier gegeben haben, in Regionen relativen sozialen Friedens zu gehen. Den Ausschlag gab der Umgang mit den Problemen der Bewerbung, deren größtes Fukushima heißt.

Es sei bei der Vergabe der Spiele erstmals wichtiger gewesen "Schwächen zu adressieren als die Stärken zu präsentieren", sagte der deutsche IOC-Vizepräsident Thomas Bach. Von Premierminister Shinzo Abe abwärts haben die Japaner keine Gelegenheit verstreichen lassen, ihre Pläne bezüglich der nur 240 Kilometer von Tokio entfernten Reaktorruine zu präsentieren. Madrid und Istanbul priesen dagegen nahezu ausschließlich die Vorzüge ihrer Bewerbungen, ihre Schwächen haben sie schamhaft verschwiegen. Dass der scheidende IOC-Präsident Jacques Rogge vor der Wahl der olympischen Bewegung eine "strahlende Zukunft" prophezeit hatte, war da fast schon ein Fingerzeig für Tokio. (Sigi Lützow, derStandard.at, 8.9.2013)